Ich habe in den vergangenen zehn Jahren noch nicht eine ausführliche Rezension zu einem Album von Tocotronic verfasst. Woran das liegt? Ich weiß es nicht. Vielleicht verschreckt mich der Sturm im Feuilleton, welcher mit jedem neuen Album der Hamburger losbricht. Alle schreiben über das neue Album von Tocotronic, sezieren die Texte, untersuchen die popkulturellen Referenzen und sind auf der Suche nach Systemkritik und neuen Parolen.
Ich bin dann immer extrem verunsichert. Was soll ich als kleiner Blogger noch groß schreiben, was nicht woanders schon tausendfach gesagt wurde? Noch dazu dermaßen eloquent?
Eine kurze Zeit lang habe ich überlegt, auch zum roten Album kein weiteres Wort zu verlieren. Aber ich möchte diese gute Platte nicht unbesprochen lassen.
Denn schon nach ein paar Durchläufen war mir klar: die Musik, die kriege ich nicht mehr aus dem Kopf. Sie passt sich dem Fluss der Worte an, sanft und mit Lagerfeuerromantik oder ekstatisch und mit drägenden Gitarren. Tocotronic waren schon immer Fans von Rock, Grunge oder Punkrock, aber gleichzeitig auch immer Verehrer des Pop.
Auf dem roten Album steht der Pop im Fokus. Die Songs klingen sehr international und so zugänglich wie selten. Zum Ende hin wird es mir zwar eine Spur zu kuschelig, aber auch dieses Ausfransen passt zu diesem Album.
Kann ich über ein Album der Hamburger schreiben, ohne auf die Texte einzugehen? Das ist schwierig, denn sie waren schon immer ein zentraler Aspekt dieser Band. Tocotronic können immer noch Parolen, wie damals, im Frühling vor 20 Jahren. Aber es sind Parolen der Liebe.
Die Texte von Dirk von Lowtzow huldigen den verschiedenen Formen und Zuständen der Liebe, ohne dabei in den Kitsch abzudriften. Das ist zwar stellenweise etwas hüftsteif, aber immer poetisch.
Am Ende möchte ich dich nicht mit einem cleveren Fazit nerven, sondern dir nur von meinem letzten Samstag erzählen. Ich fuhr mit meiner vierjährigen Tochter zum Einkaufen. Wir hörten das rote Album. Als die Single Die Erwachsenen lief, drehte ich auf, und wir waren begeistert. Den Refrain “Wir sind Babys, sie verstehen uns nicht, wir sind Babys, wir spucken ihnen ins Gesicht” sangen wir lauthals mit, und meine Tochter hatte großen Spaß.
Danke für diesen Moment, Tocotronic.
8/10
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Eine Antwort zu „Tocotronic – Das Rote Album (Review)“