Sharon Van Etten – Remind Me Tomorrow (Review)

Remind Me Tomorrow. Dem Titel nach der Soundtrack zur Prokrastination. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe stets auf morgen? Nicht ganz. Denn Sharon Van Etten war in den Jahren nach ihrem letzten Album Are We There äußerst umtriebig.

Die neuen Songs entstanden in einer Phase von Sharons Leben, in der sie wahrlich keine Langweile hatte: Sie war schwanger, studierte Psychologie, spielte in der Nextflix-Serie The OA mit. Außerdem wirkte sie musikalisch an David Lynchs Revival von Twin Peaks mit und schrieb das erste Mal Filmmusik für Katherine Dieckmanns Film Strange Weather. Zwischen all diese Unternehmungen stahl sie sich immer mal wieder eine Stunde, um am Album zu arbeiten.

Die Songs wurden dann, von Van Ettens Original-Demos ausgehend, vom Produzenten John Congleton arrangiert. Sein Einfluss ist auch der auffallendste Unterschied zum Vorgängeralbum. Gemeinsam haben Van Etten und Congleton wundervolle Arrangements mit facettenreicher Instrumentierung erschaffen.

Herausgekommen sind zehn wunderschöne Songs mit zeitlosen Melodien, irgendwo zwischen 80er, Bruce Springsteen, Portishead und Folk. Manchmal düster, oft einnehmend, bisweilen jubilierend.

So gibt es auf der einen Seite die langsamen, oszillierenden Keyboards auf Jupiter 4, die eine düstere Atmosphäre erzeugen, und auf der anderen Seite das treibende Schlagzeug und die konventionellen Piano-Akkorde, die den Hit Seventeen prägen.

Dieses abwechslungsreiche und fesselnde Album ist für mich eines der ersten Highlights des wahrlich noch jungen Jahres.


Kommentare

3 Antworten zu „Sharon Van Etten – Remind Me Tomorrow (Review)“

  1. Avatar von Hyperborea
    Hyperborea

    Gerade durch Dich entdeckt. Habe erst noch gezögert, bevor ich den Link anklicke, da ich recht heikel bin mit Frauenstimmen. Aber es war ein Treffer, echt ein toller Song.
    Ich habe mir inzwischen das ganze Album angehört und auch „Are We There“ aus 2014. Wirklich eine schöne Entdeckung für mich und ein guter Anfang des Neuen Jahres.
    Also – thx für die begeisterte Rezension.

  2. Avatar von Nico

    Hi Arvid, gerne!
    Du meinst diesen Artikel, oder: https://www.sueddeutsche.de/kultur/popmusik-abgruende-der-introspektion-1.4293597

    Danke für den Tipp!

  3. Avatar von Arvid Hagemann
    Arvid Hagemann

    Hi Nico,
    danke für den Tipp, neben „Venice Beach“ von Lana Del Rey auch für mich einer der absoluten Favoriten der Saison! Witzige Koinzidenz: In der aktuellen Wochenendausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ findet sich im Feuilleton ein großer und informativer Artikel über Sharon van Etten, überschrieben mit „Abgründe“! Sharon van Etten sei die „einzige Gitarrenfrau aus der Singer-Songwriter-Welt, die auch beim Traumlogiker David Lynch auftreten kann“.
    Schönes Wochenende,
    Arvid