Hinter Cargo City steht Simon Konrad, der nach der Auflösung seiner Indie-Rock-Band „Siamese“ solo weitermachte. 2006 hatte Simon ein paar rein mit akustischer Gitarre und Gesang aufgenommene Songs auf Myspace gestellt und erhielt innerhalb kurzer Zeit unerwartet großes und positives Feedback. Nach einer EP und dem Album „how to fake like you are nice and caring“ erschien jetzt im Mai das neue Album „on.off.on.off.“, welches ich nach wie vor großartig finde. Zum meinem Glück erklärte sich Simon bereit, ein paar Zeilen zu seiner Situation als Musiker zu schreiben. Viel Spaß bei diesem sehr interessanten Einblick!
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Simon (Cargo City):
Das Leben als Musiker in der heutigen Zeit ist sicherlich kein Zuckerwatte-Essen. Ich persönlich muss arbeiten um meine Brötchen zu verdienen.
Das ist manchmal schon grenzwertig, denn fast der ganze Jahresurlaub geht für Konzerte oder Touren drauf. Wenn man sonntags nach stundenlangen Autofahrten und mit einer einwöchigen, alkoholbedingten Dehydratation, nach Nächten auf Isomatten in verranzten Clubs nach Hause kommt, abends versucht einzuschlafen, es trotz der Müdigkeit des Jahrhunderts nicht schafft, weil einem ständig irgendwelche Bilder der vergangenen Tage an die geschlossenen Augenlider projiziert werden und dann montags morgens total verstrahlt zu Arbeit läuft, dann fragt man sich: „Wieso genau tu ich mir das an? Wieso geh ich nicht wie jeder andere auch freitags mit meinen Freunden in einen Club in meiner Stadt und mach samstags einen gemütlichen DVD-Abend und wieso zur Hölle verbring ich meinen Urlaub nicht auf den Balearen oder an der Nordsee?“ Nach spätestens drei solcher Wochenenden und zwei dieser Urlaube fragt man sich dann: „Wieso bin ich eigentlich nicht auf Tour gewesen?“
Man muss schon eine Riesenportion Idealismus mitbringen und eine sehr hohe Frustrationstoleranz, wenn man 400km fährt um in einem JUZ vor 25 Leuten spielt. Das sind die Schattenseiten, aber die sonnigen Seiten überwiegen bei weitem. Der Idealismus bekommt auf jeden Fall eine Motivationsspritze, wenn man an einem anderen Ort vor Leuten spielt, die deine Lieder mitsingen oder wenn 200 Menschen Zugabe rufen. Und der Rock-n-Roll-Lifestyle ist anstrengend aber es ist halt so und es wäre auch langweilig, wenn es nicht so wäre.
Manchmal denk ich mir, es wäre besser gewesen, wenn man so vor ca. 15 Jahren Musik gemacht hätte: Der Markt wäre noch überschaubarer gewesen, die Musikindustrie ist noch solventer und wenn ein Fan sich ein bestimmtes Lied anhören möchte, muss er darauf hoffen, dass es im Radio oder im TV gespielt wird oder sich es eben im Plattenladen kaufen. Heutzutage wirft man schnell die Internetsuchmaschine an und ca. 5,347 Google-Sekunden später kann man sich das Lied bei MySpace, Youtube & Co anhören/sehen oder bei Rapidshare etc. runterladen. Aber wie so vieles hat auch das seine Vor- und Nachteile und letztendlich ist wohl jeder Musikschaffende eben auch irgendwo Fan und auch mir hat das Internet schon Lieblingsbands und -lieder gezeigt, auf die ich so eher nicht aufmerksam geworden wäre.
Also jammern ist nicht, einfach weiter machen, den Mut nicht verlieren und sich bewusst sein, dass man den schönsten Nebenjob der Welt hat. So sieht das bei mir auf der „anderen Seite“ aus.
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Infos zu Cargo City:
MySpace-Seite
Homepage
Last.fm
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Was soll das hier? Wir sitzen auf der einen Seite. Wir hören Musik umsonst, bei Streaming-Anbietern wie last.fm, Spotify, roccatune. Wir kaufen die ein oder andere Platte oder bezahlen für einen Download. Wir gehen auf Konzerte, kaufen Merchandise-Artikel und bezeichnen uns als Fans. Wir lesen Blogs, wir kennen die Hype Maschine und diverse Onlinemagazine. Und, wenn wir ehrlich sind, dann laden wir auch das eine oder ander Musikstück illegal herunter. Das ist unsere Seite.
Und auf der anderen Seite sitzen die Musiker. Denn die Musikindustrie ist genau genommen nur der Vermittler. Sicherlich ein wichtiger Vermittler, der eine Menge falscher Entscheidungen getroffen hat und trifft, und den man mitunter auch verachten kann. Aber auf der anderen Seite sitzt meines Erachtens der Künstler. Und dessen Meinung zur aktuellen Lage der Industrie geht in meinen Augen sehr oft einfach unter. Dabei wäre es doch gerade interessant zu erfahren, wie Musiker heutzutage leben, womit sie ihr Geld verdienen, wieviel Herzblut mit jedem nicht verkauften Album verloren geht, wie anstrengend das dauernde Touren ist, woher das Durchhaltevermögen kommt, warum man sich das überhaupt antut.
Und aus diesem Grund möchte ich die Musiker fragen. Ich bitte ausgesuchte Künstler, auf meinem Blog ihre Meinung kundzutun. Ihre Meinung zu Fans, zu illegalen Downloads, zu ihrem Arbeitsumfeld, ihrer Lebenssituation, der Musikindustrie, dem Musikerdasein. Dabei sind sie in Form und Inhalt völlig frei. Ob das nun ein kurzes Statement ist oder ein Kurzroman, ich mache keine Vorgaben.
Kommentare
Eine Antwort zu „Seitenwechsel #8 – Cargo City“
Ich habe Cargo City gestern live als Support von Mikroboy gesehen.
Was für eine großartige Band.