Seitenwechsel #14 – Nicolas Sturm

Es ist wieder an der Zeit, die Seiten zu wechseln. Heute schildert Nicolas Sturm, Songwriter aus Süden Deutschlands, seine Sicht der Dinge. Am 26. April erscheint via OMAHA-Records seine neue CD „Doppelleben“, vollgepackt mit wundervollen kleinen LoFi-Popsongs und ausgestattet mit viel Charme. Viel Spaß bei diesem sehr interessanten Einblick!

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Nicolas Sturm:

MusikINDUSTRIE. Früher habe ich mir dieses Wort immer so Fabrikmäßig vorgestellt: Noten rauchende Schornsteine, Hallen mit riesigen Tonbändern anstelle von Fließbändern – früher eben. Wobei ich immer noch nicht recht verstehe, warum man überhaupt von Musikindustrie spricht. Es gibt ja auch keine Literaturindustrie, oder doch? Nur weil Musik industriell auf Kassetten gespielt, auf Platten und CDs gepresst wird? Das finde ich als Argument nicht ausreichend, schließlich werden ja auch Bücher zu Tausenden gedruckt. Vor allem aber hat der Begriff etwas sehr verallgemeinerndes an sich: Die von der Musikindustrie… so als ob zwischen einer Major-Plattenfirma mit Milliardenumsatz und einem Ein-Mann-DIY-Label kein Unterschied bestünde, gehört ja alles zur Musikindustrie.

Mittlerweile macht es meines Erachtens sogar noch weniger Sinn, von Musikindustrie zu sprechen: Die industriellen Fertigungs- und Vertriebswege nehmen an Bedeutung ab, die Musik landet ohne große Umwege auf dem Rechner oder Webspace des Hörers. Und meistens sogar kostenlos, entweder als freiwilliges Angebot von weniger bekannten Bands, oder als (in Vermeidung des Wortes „illegal“) nicht autorisierte Downloads. Ob das gut oder schlecht ist? Es ist zumindest eine Tatsache.

Viele Bands und sogar manche Labels befürworten den freien Zugang zu ihrer Musik.Viele Bands und sogar manche Labels befürworten den freien Zugang zu ihrer Musik. Während die einen eher ein ideologisches Konzept, z.B. die freie Kommunikation und Interaktion zwischen Künstler und Konsument (http://www.aaahh-records.net/about ) vor Augen haben, sehen nicht wenige Bands in der Zurverfügungstellung ihrer Musik eine Chance, „so viele Leute wie möglich zu erreichen“ um schließlich vielleicht doch irgendwie den (finanziellen) Durchbruch zu schaffen.

Ungeachtet der unterschiedlichen Hoffnungen und Visionen kann man feststellen, dass sich die Musiklandschaft durch das Internet und den freien Zugang zu Musik extrem verändert hat. Es ist eine Vernetzung entstanden, die vieles vereinfacht und beschleunigt hat, und zwar nicht nur zwischen den Bands und ihrem potentiellen Publikum: Mit nur einem Klick kann ein Veranstalter oder ein A&R eine Band und ihre Musik kennen lernen, Bands können sich über alle geographischen Grenzen hinweg austauschen, eine weltweite Albumveröffentlichung bleibt nicht mehr allein den Major-Bands vorbehalten, usw.

Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist meine jetzige virtuelle Wahlheimat. Omaha Records ist ein reines Online-Label, oder besser gesagt ein Online-Künstlernetzwerk. Ich selbst habe bisher keinen der Betreiber oder Künstler telefonisch gesprochen oder gar persönlich getroffen, trotzdem funktioniert die Kommunikation untereinander und die Zusammenarbeit bestens. (Auf der gemeinsamen Tour und dem großen Omaha-Festival im Mai in Freiburg wird man sich dann auch endlich mal in natura gegenüberstehen.) Teil des Omaha-Konzeptes ist die (un-)regelmäßige Veröffentlichung eines Online-Samplers, der kostenlos heruntergeladen werden kann und sicherlich nicht unwesentlich zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des Labels beigetragen hat. So führt die virtuelle Vernetzung und der freie Zugang zu Musik letztendlich zu mehr Austausch und Bewegung und ist für alle Beteiligten förderlich, wenn auch nicht unbedingt und in erster Linie finanziell.

Ich denke, den Menschen, denen Musik wichtig ist, sollte bewusst werden, dass sich vieles in der sogenannten Musikindustrie geändert hat und noch ändern wird. Keinen braucht das Gejammer der Multikonzerne zu interessieren, aber vielleicht die Tatsache, dass kaum eine der Bands, die man gut findet, und nur wenige interessante Labels heutzutage von ihrer Musik leben können (R.I.P. Louisville (mehr Infos). Musikmachen wird wieder zum Hobby. Nimm das, Lebensgefühl!

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Nicolas Sturm – „Neujahr“

Infos zu Nicolas Sturm:

MySpace-Seite
STURMPOST Blog
Nicolas Sturm bei Ohama Records
Last.fm

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Was soll das hier? Wir sitzen auf der einen Seite. Wir hören Musik umsonst, bei Streaming-Anbietern wie last.fm, Spotify, roccatune. Wir kaufen die ein oder andere Platte oder bezahlen für einen Download. Wir gehen auf Konzerte, kaufen Merchandise-Artikel und bezeichnen uns als Fans. Wir lesen Blogs, wir kennen die Hype Maschine und diverse Onlinemagazine. Und, wenn wir ehrlich sind, dann laden wir auch das eine oder ander Musikstück illegal herunter. Das ist unsere Seite.

Und auf der anderen Seite sitzen die Musiker. Denn die Musikindustrie ist genau genommen nur der Vermittler. Sicherlich ein wichtiger Vermittler, der eine Menge falscher Entscheidungen getroffen hat und trifft, und den man mitunter auch verachten kann. Aber auf der anderen Seite sitzt meines Erachtens der Künstler. Und dessen Meinung zur aktuellen Lage der Industrie geht in meinen Augen sehr oft einfach unter. Dabei wäre es doch gerade interessant zu erfahren, wie Musiker heutzutage leben, womit sie ihr Geld verdienen, wieviel Herzblut mit jedem nicht verkauften Album verloren geht, wie anstrengend das dauernde Touren ist, woher das Durchhaltevermögen kommt, warum man sich das überhaupt antut.

Und aus diesem Grund möchte ich die Musiker fragen. Ich bitte ausgesuchte Künstler, auf meinem Blog ihre Meinung kundzutun. Ihre Meinung zu Fans, zu illegalen Downloads, zu ihrem Arbeitsumfeld, ihrer Lebenssituation, der Musikindustrie, dem Musikerdasein. Dabei sind sie in Form und Inhalt völlig frei. Ob das nun ein kurzes Statement ist oder ein Kurzroman, ich mache keine Vorgaben.

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