Radiohead – A Moon Shaped Pool (Review)

Es begann mit einer Postkarte: „Sing a song of sixpence that goes/ Burn the Witch/ We know where you live”. Diese verschickten Radiohead an ausgewählte Fans.

Im Laufe des 1. Mais verschwand die Website der Band, und zwar wörtlich. Immer blasser wurde es auf radiohead.com, bis am Abend schließlich nur eine weiße Seite ohne Inhalt übrig blieb. Aber nicht nur das: auch alle Social Media Profile der Band leerten sich. Facebook, Twitter, ja sogar Google+: alles weiß, keine Inhalte mehr.

Und das Warten auf die neunte Platte der britischen Ausnahmeband begann. Im Lauf der folgenden Woche veröffentlichte die Band das Video zu Burn The Witch, danach das von Paul Thomas Anderson gedrehte Video zu Daydreaming.

Zeitgleich mit diesem Video gaben Radiohead auch den Veröffentlichungstermin ihres neuen Albums bekannt: Sonntag, den 8. Mai 2016 um 20 Uhr. Ich fieberte diesem Termin entgegen und verpasste ihn schließlich um ein Haar.

A Moon Shaped Pool heißt die neunte Platte, und sie ist mehr eine Zusammenfassung des bisherigen Schaffens als ein neues Kapitel. Es sind eine Menge altbekannter Songs enthalten, die immer mal wieder in anderen Versionen oder Fragmenten bei Livekonzerten auftauchten.

Sie wurden allerdings nie als fertig produzierte Versionen veröffentlicht. Es gibt nur drei wirklich komplett neue Stücke auf dem Album: Decks Dark, Glass Eyes und Tinker Tailer Soldier Sailor Rich Man Poor Man Beggar Thief.

Radiohead kombinieren Innovationswillen mit Nostalgie

Auf dem Vorgänger King Of Limbs verbannten sie die Gitarre und erschufen Loops, Beats und Drones, nur um schließlich mit acht interessanten, aber fast leblosen Songs dazustehen.

Das neue Album kombiniert diesen Willen zur Innovation mit berührender Nostalgie. Stücke wie Decks Dark oder The Numbers erinnern an OK Computer, während sich Desert Island Disk wie die Umarmung des einzig anderen Überlebenden in einer postapokalyptischen Welt anfühlt.

Es gibt so viele großartige instrumentale Glücksmomente, dass es mir schwer fällt, klare Höhepunkte zu definieren. Das letzte Drittel von Decks Dark, die Chöre in Present Tense, das Solo(!) in Indentikit oder das Piano bei Daydreaming: alles fantastische Momente.

Blickt man auf das Album als Ganzes, so ist A Moon Shaped Pool ein düsteres und atmosphärisches Album, sowohl musikalisch als auch textlich. Egal ob es um Politik oder um zwischenmenschliche Beziehungen geht: die Probleme sind da, sie werden angesprochen und sie legen schwere Lasten auf uns. Ob es einen Ausweg gibt, bleibt offen.

In vielerlei Hinsicht kämpft sich A Moon Shaped Pool den Weg aus der Sackgasse frei, leistet Widerstand gegen die oft schreckliche Welt und versucht, diese zu transformieren. Und auch wenn diese düstere Hoffnung phasenweise beliebig und erdrückend zu werden droht: ich fühle mich großartig mit dieser Platte.

Kommentare

4 Antworten zu „Radiohead – A Moon Shaped Pool (Review)“

  1. Avatar von werner

    Ja die Arrangement sind wirklich schön obwohl düster. Viel Streicher und akustische Sounds.

    Bei „Burn the Witch“ kann man, wenn man will, deutliche Bezüge zur aktuellen Politik erkennen. Wie ich meine ist das Video dazu auch sehr gelungen. Vipri Kettu war wohl der Regiesseur. Die klassischen Instrumente hat das London Contemporary Orchestra eingespielt. Also keine Samples…

    25(?) Jahre gibt es diese Band und sie sind immernoch gut!
    Schöne Musik!

    1. Avatar von Nico

      Danke für deinen Kommentar. Du hast recht, immer noch gut und vor allem immer noch relevant.