Nach ein paar Tage Sackenlassen und einigen Gedankengängen zum Thema MySpace habe ich mich entschlossen, meine Meinung zu revidieren. Denn was drüben auf Lie In The Sound steht, das würde ich so unterschreiben:
Die Vorzüge der Musikerherberge MySpace sind für Protagonisten und Konsumenten gleichermaßen evident. Der normal begabte User findet den Player recht schnell, bekommt dank Blogs einen kompakten Überblick über Neuigkeiten und Konzerttermine und darf sich an dem einen oder anderen Video erfreuen. Wer eine Handvoll Künstlerseiten aufgerufen hat, kennt die Funktionsweise. In dieser Berechenbarkeit liegt ein immenser Vorteil der Plattform. Der User kann sich unverrichteter Dinge ins Eingemachte – sprich: ins Streamen von Lieder – stürzen, ohne erst die mitunter erfinderisch, knifflige Navigation mancher offizieller Homepages durchwaten zu müssen. Welch Fan kennt dies nicht: Man besucht eine Musiker-Webseite und wird gleich ungefragt mit Musik – gerne in vollster Lautstärke – beschallt und darf sich dann auf die Schnitzeljagd nach dem Mute-Knopf machen. Bei MySpace wird man aus purer Gewohnheit bei solch Havarien schnell fündig, die bewährte Navigation vereinfacht vieles. Die Community ist außerdem ein Ort der Verknüpfungen – noch ein Pluspunkt. Und sie erlaubt auch demjenigen, der seine Musik feilbietet, Gestaltungsspielraum. Minimalismus ist ebenso möglich wie bunt blinkende Seiten. Und über die Art des Angebots entscheidet noch immer Künstler bzw. das Label selbst.
Mich stört zwar nach wie vor, das so viele Seiten so dermaßen aufgeblasen und langsam sind, aber es stimmt schon: über die Art des Angebots entscheidet noch immer Künstler bzw. das Label. Trotzdem kann ich den Weggang von Angelika Express nachvollziehen, denn die Band hat längst andere Anlaufstellen für Fankontakt und Promotion gefunden. Und die funktionieren scheinbar sehr gut. Was aber für eine Band gilt, das muss natürlich nicht für alle gelten.
MySpace hat enorme Vorzüge. Es ist bekannt, etabliert und in gewissem Sinne auch funktional. Ehrlich gesagt würde ich es sogar komisch finden, wenn eine Band heutzutage keine MySpace-Seite besitzt. Diese werden nicht nur auf CD-Hüllen gedruckt, sondern sind auch oft erste Anlaufstelle im Netz. Die Konkurrenz ist einfach noch nicht so weit bzw. schon weiter, je nach Standpunkt.
Facebook ist zwar auf dem Vormarsch, bietet aber immer nur das gleiche Layout (was auch ein Vorteil ist) und bei vielen Musikern keine Musik zum Anhören (z.B. Arcade Fire). Last.fm ist schöner, ist auf Musik fokussiert und macht vieles richtig. Allerdings braucht man viel zu viel Klicks, um überhaupt mal Musik hören zu können, und oft findet man dann nur 30-Sekunden-Schnipsel ( z.B. Arcade Fire). Die Seite von Arcade Fire bei MySpace sieht hingegen zusammengeklatscht aus. Allerdings kann ich mir sofort Musik der Band anhören, ich habe die wichtige Daten auf einen Blick und kann mich schnell informieren. Layout hin oder her.
Ich glaube MySpace wird noch eine ganze Weile eine wichtige Anlaufstelle für Künstler und deren Fans bleiben. Nur sollte die Plattform aufpassen, das sie den Anschluß nicht verliert. Ob mit den jüngsten Entlassungen der langsame Abstieg des einstigen Primus eingeläutet wurde, bleibt abzuwarten.
PS: Warum Angelika Express den Acoount nur nicht mehr aktualisiert, statt ihn komplett zu löschen, bleibt wohl ein Geheimnis.
Kommentare
15 Antworten zu „Noch mal zu MySpace“
Hi,
ich kann die meisten der angeführten Argumente gut nachvollziehen, jedoch: Als Mitglied einer Band deren Bekanntheitsgrad weit unter dem von Angelika Express rangiert habe ich überhaupt nicht den Eindruck, frei entscheiden zu können, irgendeines dieser Portale zu ignorieren. Denn irgendwie müssen die Leute doch einfach aufmerksam gemacht werden. Ich sehe keine Alternative.
Und: Wer glaubt „myspace-Freund“ sei ein Synonym für „Freund“, „Konsument“ oder „Fan“ hat es nicht besser verdient.
Gruß,
Michael
Apropos Myspace:
http://www.coffeeandtv.de/2009/07/14/der-weg-zum-rockstar-in-sechs-milliarden-schritten/
@Tom – die herausforderung ist eigentlich für eine gute bandwebsite, zum einen schnell zugänglich die wichtigste info zu liefern, um dann in die tiefe zu gehn für diejenigen, die mehr wissen wollen. dank myspace haben viele bands jedoch ihre homepages leider schändlich vernachlässigt. sobald die zeit es erlaubt, wird es bei angelika-express.de ein redesign geben, um die seite zu optimieren. wir nehmen das sehr ernst.
@Angelika Express – Okay, der Aspekt, dass die Website quasi die künstlerische Verlängerung der Cover & Videos ist, der ist wichtig. Für den Künstler insbesondere und einen gewissen Schlag von Fans. (Und designinteressierte Blogger auch). Aber irgendwie habe ich den Eindruck als wären das zwei verschiedene Dinge, die da verglichen werden. Myspace benutze ich (und eigentlich alle, die ich kenne) als reine Informationsplattform: Man hört sich in neue Bands schnell rein, sieht die Konzerttermine und dann und dann auch ein paar gut gepflegte Bandblogs.
Der Besuch einer Bandwebsite dagegen… Nur wenn ich drüber schreiben will. Oder ich abends Zeit habe. Aber nicht zur schnellen Information untertags. Hm, finds nicht ganz so einfach, das in Worte zu fassen, aber versteht ihr, was ich mein?
Ich finde Robert’s Meinung sehr überzogen, genauso wie Myspace der Bild gleichzusetzen. Ich bin wahrlich kein Verfechter dieses Social Networks, aber, auch wenn und gerade weil sie diese Monopolstellung haben, und eben masskompatibel sind, finde ich es nicht besonders schlau dieser Seite komplett den Rücken zuzukehren. Aber das darf und kann zum Glück jeder Künstler für sich selbst entscheiden.
Kein Musiker muss den Myspace-Player verwenden. Das Gute an Myspace ist, dass auch Widgets/Player anderer Dienste eingefügt werden können…
Ich bin kein absoluter Fan von Myspace… gäbs ne gute Alternative, würd ich keine Tränen weinen und weiter wandern.
Der Hauptfrust, den viele Bands schieben, hat seine Ursache auch nicht in den technischen Aspekten. Im Moment gibts einfach eine große Katerstimmung weil viele Künstler glaubten, die Myspace-Freunde, die sie gesammelt haben, wären auch Fans aka Konsumenten, die Geld ausgeben für CDs, Mp3s, Konzerte, Merchandise…
Viele Musiker haben Stunden täglich auf Myspace verbracht und geglaubt, dass sich diese Arbeit in Barem auszahlt. Wenn dann nur 1% aller Myspace-Freunde die CD kaufen und Konzerte leer bleiben, obwohl auf der Künstlerseite der Bär steppt, fühlen sich viele betrogen.
Auf der anderen Seite der Myspace-Freunde, die eben Freunde sein wollen und keine Fans, gibt’s ebenso Frust.
Größte Stärke und größte Schwäche von Netzwerken wie Myspace ist eben, dass die Barrieren zwischen Fans, Freunden, Künstlern und Business-Kontakten verschwinden können. Allerdings braucht’s eben auch klare Grenzen zwischen Privatem und Geschäftlichem.
Viele Musiker sind leider auch auf das Märchen vom Star via Myspace, wie es unter anderem über die Arctic Monkeys erzählt wurde, reingefallen. Dass der Hype um eben jene Gruppe mit finanzstarken Marketing erschaffen wurde, ist inzwischen ein offenes Geheimnis…
Hey Nico,
Wir haben unsere Myspace-Seite ganz einfach deswegen nicht komplett runtergenommen, weil uns dort viele Leute suchen und sonst vielleicht einfach nicht finden würden. So haben wir die Chance, sie auf unsere Homepage http://angelika-express.de einzuladen, einen Platz also, über den wir die komplette inhaltliche und künstlerische Kontrolle haben. Reiner Pragmatismus also 🙂
Wenn ich schon mal dabei bin, hier noch ein paar Ausführungen zu unserem Move, die mir auf der Seele liegen:
Es ist ja erstmal eine Frage von Einstellung und persönlichem Geschmack, wie und wo man sich als Musiker/Künstler/Whatever der Öffentlichkeit präsentiert. So wie es eine Frage von Einstellung und Geschmack ist ob man z.B. lieber BILD oder TAZ liest. (Myspace ist für mich dann auch eher die BILD unter den Musikplattfomen.)
Aufgrund der monopolartigen Stellung von Myspace ist nun eine Situation da, die zu einer Standardisierung der Eigendarstellung vieler Musiker geführt hat, an die sich auch viele Musikkonsumenten im Laufe der Zeit zunehmend gewöhnt haben. Diese Situation bringt nun für Künstler einige Probleme mit sich.
Die Internetpräsenz einer Band spielt meiner Meinung nach eine ähnliche Rolle wie früher ein Plattencover oder das klassische Musikvideo – als Extention der Musik. Eine multimedial vernetzte Erweiterung mit integralem Charakter, über die eine Band sich inhaltlich und imagemässig komplett definieren kann.
Myspace dominiert aufgrund seiner Monopolstellung diesen Bereich und packt nach Gutdünken irgendwelche Inhalte (etwa Werbung) auf die Website des Künstlers dazu. Das würde kein Musiker auf seinem Albumcover tolerieren. Wer sich hauptsächlich auf Myspace präsentiert, tut aber eigentlich nichts anderes. Zumal Myspace dem Anwender, im Gegensatz zu anderen Web 2.0 Diensten, besonders aufdringliche Werbeformen aufnötigt.
Myspace will für Künstler und Konsumenten ein möglichst geschlossenes Ökosystem bilden um so allen Traffic bei sich zu halten. So kann man den berüchtigten Player nicht, wie bei anderen Diensten, auf externe Seiten einbetten. Das schränkt die Präsentationsfläche für den Künstler stark ein, zumal der Player auch nicht gerade durch brilliante Funktionen besticht.
Externe HTML-Links, die der Künstler auf seiner Seite anbringt, werden erstmal auf eine fette, englischsprachige „You are about to leave MySpace“ Seite umgeleitet, die den arglosen Nutzer wenig sensibel mit dem Generalverdacht verunsichert, er könne nun in die Fänge von Phishern geraten.
Myspace verschlingt Zeit. Seit den Anfängen des Dienstes schlägt man sich bei der Ausgestaltung seiner Seite mit einem obskuren HTML/CSS-Derivat rum. Ich möchte nicht wissen, wie viele Arbeitsstunden ich vernichten musste, um unserer Myspace-Oberfläche ein einigermaßen erträgliches Äusseres zu geben.
Damit Myspace Sinn macht, habe ich regelmäßig die Inhalte unseres Homepage-Blogs nachgeliefert. Eine Verdopplung der Arbeit, zumal mein etwas angejahrter Mac ein flüssiges Arbeiten im ressourcenverschwendenden Interface von Myspace verweigert…
…So viele Argumente, ich hör jetzt lieber auf, sonst schreib ich morgen noch weiter. Muss mir ja nebenbei auch noch Musik ausdenken…
Ich bin auf jeden Fall sehr froh, mich jetzt nicht mehr mit Myspace auseinandersetzen zu müssen. Ausser auf theoretischer Ebene.
Cheers,
Robert / Angelika Express.
Das ist auch exakt meine Meinung. Anlaufstelle Nummer 1 ist für mich MySpace.
Bands kommen und gehen, nutzen Plattformen oder eben nicht. Würden „größere“ Bands dieser Plattform den Rücken zukehren, würde ich mir Gedanken machen, aber soohooo. In meinen Augen verlieren sich viele Plattformen wie eben Facebook oder last.fm so langesam mit ihren ganzen Features in eine tiefe Unübersichtlichkeit. Ich mag‘ es da doch lieber konzentrierter wie eben auf Mypspace (Musik hören und allgemeine Infos inklusive Tourdaten auschecken). Ich mag‘ nicht hören, was Leute, die ich nicht mag, den ganzen Tag machen (deshalb habe ich auch letzten Endes Twitter den Rücke zugekehrt, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte). Um Musik auszuchecken, ist myspace einfach mal die Nummer Eins – und das werden sie sicherlich auch noch eine Weile bleiben (sicherlich sollte sie ihre Dienste entsprechend anpassen bzw. optimieren, aber nicht unbedingt ausweiten). Und wenn irgendwelche Bands meckern, dass sie mit Werbung zugebommt werden, dann haben sie das „Wie mache ich mit dem Internet Geld“-Prinzip noch nicht verstanden! Und gerade Angelika Express sollten doch wissen, was moderne Vermarktungsmethoden sind!
Es ist nicht „wichtig“, es übt aber immensen Einfluss auf die Ausrichtung der Plattform aus.
Ist das überhaupt wichtig, ob Myspace ein „Emo-Portal“ ist? Im Endeffekt kenne ich persönlich niemanden, der auf myspace surft. Man ruft es eigentlich nur direkt auf. Denn zum Surfen ist es einfach massiv zu unkomfortabel (Navigation, Suchoptionen, Suchtreffer, alles völlig unzureichend für derart viele Mitglieder). Aber ich stimme euch zu, im Moment hat noch keine Plattform die Möglichkeit, myspace in Sachen Anzahl der Bands und Streamingoption das Wasser zu reichen. Ich hoffe ja, dass last.fm mal die Kurve kriegt in Sachen Direktstream ohne Umwege…
Das Störende an MySpace sind die zahlreichen Nichtmusiker, die sich dort tummeln. Den Ruf als Emoportal hat es weg, da hilft nichts mehr.
Ansonsten bin ich mit dem Angebot von Last.fm, was Hörproben betrifft, zumeist zufriedener als mit MySpace, gerade nun, da man bei letzterem nicht mehr vernünftig speichern kann…
„PS: Warum Angelika Express den Acoount nur nicht mehr aktualisiert, statt ihn komplett zu löschen, bleibt wohl ein Geheimnis.“
Ich masse mir mal an zu behaupten, dass das deshalb geschieht, weil es der eben durchaus populären Meinung in der Blogodings entspricht, das Myspace extrem unkuhl ist. Schließlich haben sie da den Großteil ihrer Fanbase. Dort kann man dann so einer einhelligen Meinung auch mal Rechnung tragen.
Es gibt keine echte Alternative zu Myspace. Entweder man nutzt es oder man lässt es bleiben. Weder Facebook noch Last.fm oder gar Soundcloud haben ein ähnlich umfangreich – und eben auch mitunter interessant nützliches – Angebot wie Myspace es hat.
Noch eine kleine Ergänzung vom weiblichen Teil von Lie In The Sound: Der große Nachteil von Facebook ist, dass man dort seinen realen Namen angeben muss. Gerade für Teenager, sehe ich das als bedenklich an. Es heisst eben nicht jede Stefanie Schmidt, wenn dann noch der Wohnort angegeben wird ist’s dahin mit dem Schutz der Privatsphäre.
Gerade Fans verhalten sich nicht immer so, dass es unbedingt die ganze Welt für immer und ewig mitbekommen muss. Da ist ein Pseudonym auf Myspace schon sinnvoller.
Was mich an AE am meisten gestört hat, ist der Wind den sie gemacht haben. Viele wesentlich bekanntere Acts haben sich schon viel früher dazu entschlossen, Myspace zu verlassen oder nur ein Foto und einen Link auf die offizielle Homepage dort unterzubringen.
Brigitte
Deine Einschätzungen, zum Beispiel was Last.fm betrifft, kann ich wiederum voll und ganz unterschreiben. Künstler-Homepage können ein toller Fundus an Infos, Ausdruck von Kreativität und Interaktion sein. Aber für mich wird eine MySpace-Seite noch eine Weile, erste Anlaufstelle zum Probehören sein, ehe ich dann auf last.fm oder die offizielle Präsenz gehe. Wenn es früher oder später eine bessere Plattform für kleine und große Musiker geben sollte, dann soll mich dies auch freuen…