Früher, da war alles anders. Um meine Musiksammlung zu pflegen, brauchte ich Geld. Dabei war es ziemlich egal ob ich Vinyl, CDs oder Kassetten bevorzugte. Das führte dazu, dass meine Musiksammlung sorgfältig gepflegt war. Ich musste harte Entscheidungen treffen, musste mich im Notfall zwischen zwei Alben entscheiden; denn es war mir schlicht nicht möglich, alles zu besitzen. Ich definierte meine Musiksammlung und sie definierte mich. Das war meine Musik.
Aber dann kam die MP3 und Napster, und alles änderte sich. Die digitalen Daten waren frei im Internet verfügbar. Ich kaufte auch weiterhin Musik, aber ein großer Teil meines Budgets floss in den Erwerb von Rohlingen und Festplattenplatz.
2001 präsentierte Apple den iPod und machte die MP3 mobil und sexy.
2001 präsentierte Apple den iPod und machte die MP3 mobil und sexy. 1000 Songs in your pocket. Später sogar 10000 Songs. Natürlich begünstigte der Konzern damit die Musikpiraterie, denn wer konnte es sich leisten, den iPod nur mit gekaufter Musik zu befüllen? Ich nicht! Dann aber der nächste Coup: Apple fing an, selber Musik zu verkaufen. Auch ich schlug zu, denn es war einfach und bequem und gut umgesetzt. Da konnte ich sogar das anfänglich verwendete DRM verschmerzen. Ich hatte ja einen iPod. Es begann die Zeit der Playlisten und des Rosinen-Pickens, und auch wenn ich weiterhin der Albumkäufer blieb, schlich sich der eine oder andere einzeln erworbene Song in meine Bibliothek.
13 Jahre nach der Präsentation des originalen iPods ist dieser aus dem Portfolio von Apple verschwunden. Den klassischen iPod gibt es nicht mehr. Ruhe in Frieden geliebtes Clickwheel. Die Zeit der reinen MP3-Player ist vorbei. Heute geht es um Smartphones und Apps. Da Smartphones inzwischen wahre Alleskönner sind (Musik-Player, Kamera, Karte, Navigationsgerät, Kalender, Diktiergerät, Telefon, Spielkonsole…), haben sie keine klar definierte Ausstrahlung mehr. Wenn ich mit meinem iPod unterwegs war, dann hatte ich meine Musiksammlung bei mir, und mit ihr einen Teil meiner Identität. Der iPod eines anderen Menschen besaß eine gewisse Aura, und es war tabu, ihn sich einfach zu schnappen und zu schauen, was sich in der Bibliothek des Anderen befand. Hatte ich aber die Erlaubnis, dann blickte ich nicht nur auf ein paar digitale Zeilen, sondern auch in die Persönlichkeit des Besitzers.
Meine Musiksammlung sieht 2014 folgendermaßen aus: ich habe die wichtigsten 50 CDs griffbereit, der Rest liegt staubgeschützt in Kisten. Allerdings besitze ich jeweils nur die für mich essentiellen Alben der letzten Jahre auf CD, der Rest befindet sich in meiner iTunes Bibliothek. Diese ist aber auch nicht vollständig, denn viele Alben habe ich mir in den letzten Jahren nicht mehr zugelegt, sondern nur per Spotify gemietet. Bei Spotify habe ich keine Sammlung, sondern nur temporären Zugriff auf von mir ausgewählte Musik. Die iTunes Bibliothek kommt meiner persönlichen Musiksammlung von damals am nächsten, aber wie ich in den vergangenen Tagen lernen musste, wird auch diese inzwischen fremdgesteuert.
Musik im Internet ist nicht wirklich frei, sie wird lizenziert, vermietet, in Apps gesteckt, mit Gewalt in persönliche Bibliotheken geschoben. Und sie sollte auch nicht mehr zu viel über die eigene Persönlichkeit verraten, denn bei Facebook oder Last.fm wird immer aufgezeichnet, was wir gerade hören. Alleine der Punkt „Private Session“ bei Spotify verrät schon eine Menge. Denn früher war mein Musikkonsum immer privat.
Manchmal vermisse ich die Zeit, in der ich meine Musiksammlung definierte und sie mich. In der Niemand außer mir wusste, was ich gerade hörte. In der Niemand außer mir Zugriff auf meine Sammlung hatte, außer ich erteilte die Erlaubnis.
Kommentare
11 Antworten zu „Meine Musiksammlung“
Beim Lesen des Artikels fühl ich mich gerade verstanden. Allerdings laufe ich immer noch mit meinem 120 GB iPod durch die Gegend – wahrscheinlich bis er das Zeitliche segnet.
Hast du noch Restplatz auf der Platte?
Genau aus diesem Grund habe ich nie angefangen MP3 zu hören oder zu sammeln. Wie oft habe ich ganze Festplatten zum kopieren angeboten bekommen mit unzähliger Musik. Meine Freunde und Bekannten haben immer gesagt „Du bist doch Musikfan, ich habe da eine Festplatte mit tausenden Titeln…“ und ich habe immer „Nein“ gesagt. Warum…weil genau dieses Überangebot mir die Freude an der Musik verdirbt. Ich bin ein Jäger und Sammler, ich will neues Entdecken und dann auch bewußt kaufen und in der Hand halten, nur so kann ich mir Musik als etwas besonderes erhalten. Im Moment bin in in der Phase nur Vinyl zu kaufen…das macht das Erlebnis Musik einfach bewußter…vielleicht spinne ich aber auch einfach nur…!
Du spinnst ganz und gar nicht, keine Sorge.
Es ist nicht so, dass die Musik von heute nicht mehr gut ist…man muss nur lange danach suchen 🙂 Das meiste ist austauschbare Fließbandmusik
War das nicht schon immer so? Ich meine, dass man lange suchen musste?
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen, dass ich früher viel mehr Bands kannte, weil ihr stil unique war und einen gewaltigen Wiedererkennungswert hatten 🙂 Heute muss ich tief im Netz Graben um etwas neues zu hören..
…es gibt immer noch Vinyl, CDs, Festplatten, MP3-Player, SD-Karten für Smartphones – also das was dich befähigt eine relative Nähe, samt Privatsphäre, zu deiner Musiksammlung zu wahren, fernab von Wolken, Streaming-Diensten oder Plattformen, die deine Gewohnheiten aufzeichen oder gar transparent machen. Klar ist das mit Aufwand verbunden – aber nicht unmöglich und schon gar nicht anders als früher – zumal du diese Blickweise ja kennst. Dieser Einblick ist mir ein Stück weit zu pessimistisch und technik-deterministisch…
Klar, das funktioniert auch heute noch, und ich habe eine persönlich befüllte SD-Karte in meinem Smartphone, auf die nur ich Zugriff habe. Aber trotzdem fühlt es sich für mich anders an. Vielleicht sind meine Gedanken auch etwa zu wirr…
Siehste. 🙂
Das Gefühl, das die Musiksammlung, -verfügbarkeit etc. sich verändert ist sicher befremdlich und es ist auch legitim diese zu äüßern. Aber wir sollten uns auch bewusst werden, dass der Musikgenuss, wie auch technik-vermittelte Kommunikation ja per se kein Zustand, sondern auch immer ein Prozess ist. Ob wir die Veränderungen mögen oder nicht, ein Stück weit kannst du dich dem doch entziehen oder für dich selber gestalten. Das ist natürlich immer mit Arbeit und Aufwand verbunden, die mitunter nicht leicht fällt (die du aber früher ja auch gemacht, nur halt anders, gemacht hast). Die Vorteile und damit auch die kritischen Sichtweisen zu den neueren Angeboten hast du ja in der Vergangenheit hier schon gut dargelegt. Die verklärende Sichtweise, dass es früher anders und damit meistens implizit generell besser war, ist immer so abgedroschen, einfach und ja irgendwie auch einseitig richtig und zugleich falsch. 🙂
Du hast völlig recht, deswegen mein einschränkendes „manchmal“. Aber irgendwie passiert gerade so viel in der Musiklandschaft, das mich auf einmal so ein nostalgisches Gefühl überkam.