Kritik: Placebo – Loud Like Love

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Placebo kombinieren gewohnte Sounds mit Gesellschaftskritik und schießen dabei ein wenig über das Ziel hinaus.

Nach ihrer letztjährigen, sehr guten EP „B3“ durfte man gespannt sein, ob die dort angedeuteten Veränderungen im Sound intensiviert werden würden. Die erste Single „Too Many Friends“ präsentierte sich dann allerdings im konservativen Soundgewand, und auch der Rest des Albums tönt in eher gewohnten Gewässern. Was ich gar nicht als Kritik verstanden wissen möchte. Denn die Produktion klingt großartig, und unter diversen Schichten versteckt hallen die kleinen Experimente der EP noch nach.

Das schon erwähnte erste Lebenszeichen dieses Albums hörte ich wie früher ganz klassisch im Radio. Ging ganz gut ins Ohr, wie ich beim ersten Mal dachte. Beim zweiten Mal hörte ich allerdings den Text, und der bietet schon ein wenig Fremdschämpotential. Soziale Entfremdung durch soziale Netzwerke und Smartphones sind ein wichtiges Thema, sicher, aber die lyrische Kritik Molkos klingt hier doch sehr platt und erinnert in ihrer Tiefe ein wenig an Schülerband. Meiner Meinung nach ist Brian Molko nicht der beste Gesellschaftskritiker, was man auch beim zweiten kritischen Song „Rob The Bank“ hören kann. Wenn es auf das bekannte zwischenmenschliche Terrain geht, ist allerdings alles wie gehabt. Da fühlt sich nicht nur Molko wohl, sondern ich mich auch mit ihm.

Musikalisch liefern sie auf ihrem siebten Album gewohnt gute bis sehr gute Rocksongs ab. Gleich der Einstieg mit dem Titelsong ist ein Hammer und wird mit Sicherheit eines der zukünftigen Highlights. Aber auch die Single „Too Many Friends“ ist absolut hörenswert, wenn man es schafft, den Text auszublenden. Die besten Stücke hat die Band meiner Meinung nach aber im letzten Drittel versteckt. „Exit Wounds“ beginnt wie ein Song der Nine Inch Nails und entwickelt sich im Laufe der fast sechs Minuten zu einer großartigen Midtempo-Ballade. Das folgende „Purify“ weiß die aufgebaute Spannung zwar nicht recht zu lösen, ist aber trotzdem ein toller Song. Neben dem Titelsong mein persönliches Highlight: „Begin The End“. Mit einer marschierenden Snare, einer gezupften Gitarrenfigur und geschickt platzierten Basstönen wird hier eine großartige Atmosphäre geschaffen.

You and I kept looking transcend
The fact that I was breaking to your bend
But this is now insanely than was then
And tonight’s the night, that we begin the end

Welches Ende? Was passiert hier? Das bleibt offen und obliegt der Interpretation des Hörers. Und in der letzten Minute ist sie dann da, die Gänsehaut.

Es gibt zwar auch den einen oder anderen Durchhänger, aber das lässt sich verkraften. Die peinliche Gesellschaftskritik trübt zwar ein wenig den Gesamteindruck, aber musikalisch bekommt man hier ein mehr als gelungenes Album im gewohnten Klangspektrum. Wo Placebo drauf steht, ist eben auch Placebo drin. Ich hätte mir nach der letzten EP und dem großspurigen Albumtitel zwar mehr Experimente, Abgründe, Höhenflüge und Extreme gewünscht, aber enttäuscht bin ich trotzdem nicht. Naja, vielleicht ein klein wenig.

6/10