Seit Freitag höre ich nun immer wieder das neue Werk des Trios um Matthew Bellamy. Zum Glück war es gleich am Erscheinungstag bei Spotify verfügbar, und so konnte ich mir die mit Spannung erwarteten neuen Songs direkt auf mein Telefon laden. Und seit diesem Zeitpunkt höre ich – wenn ich höre – nichts anderes mehr. Dabei überkommt mich allerdings jedes Mal ein unterschwelliges Gefühl des kalten Grauens, denn was Muse dieses Mal abliefern, das ist verdammt nah an der Schmerzgrenze. Diese Mischung aus Queen- und Depeche Mode-Reminiszenzen, klassischen Pianoparts, breitbeinigen Schweinerock-Riffs und Gitarrensolos ist schwer zu ertragen.
Nehmen wir als Beispiel den Titelsong. Mysteriöser Anfang, schöne Queen-Bridge, ein hymnischer Refrain. Eigentlich ein mitreißender Muse-Song und sicherer Hit. Aber was bitte schön soll diese absolut billige Piaomelodie, die den Fluß immer wieder zerstört und mich an eine frühe Demoaufnahme von Coldplay denken läßt?
Dabei fängt mit dem Opener „Uprising“ alles so gut an. Ein stampfender Rhythmus begleitet uns durch die Strophe und führt uns sicher zum mitreißenden Refrain. Ein großartiger Song und Zeugnis, warum Muse für den Stadionrock geboren sind. Dann folgt mit dem bereits erwähnten Titelsong allerdings der erste Dämpfer, und das nachfolgende „Undiusclosed Desire“ ist mir ein wenig zu sehr von Depeche Mode beeinflußt, ohne deren Sinn für großartige Melodien zu übernehmen. „United States Of Eurasia [+Collateral Damage]“ schwirrte ja schon eine weile durchs Netz, und an diesen Song mit seinem fehlenden „We are The Champions“-Refrain habe ich mich mittlerweile gewöhnt, was nicht heißen soll, das ich begeistert bin.
Und ab diesem Zeitpunkt wird es dann richtig schwer. Ich schrieb doch letzten bei der Big Pink-Kritik, das ich einen so langweiligen Song wie „Love In Vain“ schon lange nicht mehr gehört habe. Nun, das stimmte nur bis zu dem Zeitpunkt, als ich das erste Mal „Guiding Light“ hörte. Mein erster Gedanke: „Oh Gott, jetzt lassen sie sich von Jennifer Rush inspirieren!“ Gäbe es da nicht Songs wie das großartige „Unnatural Selection“ hätte ich diese Platte nicht einmal bis zum Ende geschafft.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich „The Resistance“ für einen mit Zucker überzogenen Haufen Scheisse, ein geniales Opus oder einfach nur ein neues Muse-Album halten soll. Beim letzten Werk schrieb ich noch: „Meine Fresse, das ist objektiv betrachtet eine einzige gequirlte Kacke. Aber die Fans werden es lieben. Und deswegen werde ich spätestens jetzt auch einer. Subjektiv ein Meisterwerk!“
Dieses Mal bin ich mir da nicht sicher. Ich brauche noch mindestens 10 Durchläufe, um mich mit dieser Platte anzufreunden. Und ich weiß nicht, ob ich das durchhalte. Vorerst unschlüssige 5 Punkte.
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Kommentare
@Commander Robot:
Wie kann denn eine Albumkritik NICHT subjektiv sein? Jede Form von Kritik ist immer pure Subjektivität, alles andere wäre eine reine Beschreibung, nur die kann objektiv bleiben.
Tim
Dieses Werk ist als ein solches zu verstehen. Musik soll erzählen und genau das tut dieses Album. Als nicht offizieller Soundtrack von „1984“ trifft es genau die Stimmung. Musikalisch als auch lyrisch.
Wer sich der Anleihen wegen verblenden lässt, ist selbst schuld, wenn er nicht mindestens 20 weitere Runden dieses Albums über sich ergehen lässt.
Konzeptalben darf man nun leider nicht zerfetzen und Song für Song demontieren….
Also ich weiss gar nicht was ihr habt, ist halt ma was anderes als das was sie sonst machen, mit viel Ruhe, Piano und und und. Informieren ist alles Leute. Muse haben die CD ohne ihren früheren Producer gemacht, so das die ganzen „Opernartigen“ Einflüsse jetzt auch mit einbezogen werden konnten, was mit dem ehemaligen Producer nicht ging, der hat eher auf der alternative Rock Schiene Potenzial gesehn 😉
Und zu Commander Robot: Das Album steht auf dem ersten Platz in den Charts (zumindest bei unserem CD-Fachhandel aka MegaCompany so gesehen).
just my 2 Cents
Muse sind und waren immer schwierig. Man muss die Alben erstmal „verstehen“.
Die Albumkritik die hier zu finden ist ist gelinde gesagt unter aller Sau. Nicht weil sie nicht meine Meinung trifft sondern weil sie subjektiv und völlig unvor- und nachbereitet hingerotzt wurde. Jedes Muse-Album hat immer eine bestimmte Idee der Band vertreten, so auch jetzt. Das macht Muse aus, man muss das Album entdecken und lernt es dann lieben oder hassen.
Btw, wer möchte kann in „Guiding Light“ eines der treffensten und soundtechnisch großartigsten Gitarrensolos ever finden. Bellamy at its best! Aber wer sich nur berieseln lassen will sollte wohl doch eher die Top 10 der Pop-Charts durchhören, die versteht man sogar auf anhieb.
Greetz
bin zwar muse fan, aber muss schon sagen, dass ich hiervon auch enttäuscht bin. da gibt es aber umso schlimmere. euch gar nicht das hier an:
http://www.clipfish.de/video/3140655/party-luder/
wie peinlich ist das denn? eine schande für die musikindustrie!!!
@Tim – Größenwahnsinnig waren sie ja schon auf dem Vorgänger. Aber eben auch besser 🙂
Ich muss sagen, mir gefällt das neue Album hervorragend (ganz im Gegensatz zu der Black Hole & . . . übrigens, deren Stücke ich eigentlich nur live auf der Haarp ertragen konnte, außer Knights of Cydonia, das ist geil).
Das Album ist überdreht, abwechslungsreich, bunt, abgehoben und vollkommen größenwahnsinnig, und genauso müssen Muse sein.
Tim
Ich kann mich dem nur anschließen. Ich finde „The Resistance“ auch nur bedingt hörtauglich. So analysieren wie ihr kann ich es allerdings nicht 🙂
Die ersten 4 Tracks kommen bei mir ganz gut an. Das Piano-Gedudel auf „United States“ ist jedoch nur nervig. „Unnatural Selection“ ist mir dagegen zu lang – rockt jedoch. Hier hat Muse mit „Hysteria“ oder „Stockholm Syndrome“ aber schon besseres geliefert.
„Guiding Light“ ist unsagbar öde und Jonathan hat auch Recht: die Symphony passt gar nicht auf die Platte.
Nun bin ich auf den Gig in der O2 World gespannt…
Ich finde, Albumkritiken können nicht objektiv sein. Deshalb müsste jede Kritik fünf Sterne bekommen. Es sei denn, man sagt explizit: Ich finde, …. Aber das nur am Rande.
Es stimmt schon, dass einige der Melodien irgendwie nerven, streckenweise ist das wirklich schwer zu ertragen. Die erwähnte Pianomelodie erinnert mich irgendwie an eine von Klaus Doldinger für eine 90er Fernsehserie komponierte Filmmusik. Aber irgendwie funktioniert es ja, bei mir jedenfalls. Nah an der Schmerzgrenze stimmt in jedem Fall. Diese etwas abstoßende Süße (wahrscheinlich durch die ganzen Terzen, Sexten und kleine Septimen, das müsste man mal checken) ist ja offenbar Programm und macht – leider, möchte man fast sagen – aus, dass es ziemlich eingängig ist. Eine gelungenes Werk populäre Musik. Ich jedenfalls verliere durch ein Album wie dieses, mit seinem Mix aus Komplexität und Eingängigkeit, meine Berührungsängste zu vermeintlich allzu simplen Melodien. Ich denke, von dieser Seite muss man es wohl sehen. Kann auch Autosuggestion sein.
Übrigens gibt es auch im von dir gelobten „Unnatural Selection“ ein musikalisches Zitat, jedenfalls höre ich es als solches: Stellen wie be 5:50 kenne ich so nur von SOAD.
Das ausgedehnte Chopin-Zitat ist überflüssig. Wenn ich eine Nocturne hören will, dann höre ich eine direkte Interpretation von Freire oder Castro, und nicht „United States…“ Wenn das eine Art pädagogischer Kniff sein soll, kann ich darauf verzichten.
Was Muse meiner Meinung nach nicht konsequent umsetzen ist das Ende des Album-Formats (wie von Thom Yorke kürzlich erst beschrieben). Die so betitelte Sinfonie (zu einer Sinfonie gehört eigentlich mehr als nur der Name) gehört für mich nicht mehr zum Rest. Warum macht man da nicht zwei Veröffentlichungen draus?