Interview: Wye Oak

Wye Oak kommen aus Baltimore und bestehen aus der Songwriterin, Sängerin und Gitarristin Jenn Wasner und dem einhändig Schlagzeug spielenden (die andere Hand spielt Orgel und vieles anderes) Multi-Instrumentalisten Andy Stack. Das neue Album „Civilian“ erscheint am 4. März 2011 als CD, LP und digitaler Download bei City Slang. Am Tag der Vertragsunterzeichnung mit dem Label weilten die beiden in der Hauptstadt und spielten abends ein Konzert im vollen Michelberger Hotel in der Warschauer Straße.

Da ich das neue Album schon hören durfte und schwer angetan bin, bat ich Jenn, mir ein paar Fragen zu beantworten.

Hallo. Danke, das Du dir die Zeit nimmst, mir einige Fragen zu beantworten. Kannst du dich bitte kurz vorstellen?

Hi, ich bin Jenn Wasner. Ich komme aus Baltimore in Maryland. Ich mache zusammen mit Andy Stack Musik, und zusammen sind wir das Duo Wye Oak.

Kannst du mir kurz erzählen, wie ihr beide als Duo zusammen gekommen seid?

Wir spielten zusammen in einer Band in unserer Highschool-Zeit, Musik war also schon immer ein wichtiger Teil unserer Freundschaft.

Euer neues Album „Civilian“ wird in Deutschland im März veröffentlicht. Ich konnte es bereits hören und bin begeistert. Ein sehr fragiles und dennoch kraftvolles Album. Klingt nach einer Menge Arbeit und Herzblut. Wie war der Aufnahmeprozess?

Früher war unser Aufnahmeprozess eher eigenbrötlerisch und selbstbezogen, nur Andy und ich. Wir machten alles alleine: schreiben, arrangieren, einspielen, produzieren. Mit „Civilian“ haben wir jetzt zum ersten Mal ein paar Außenstehende dazugeholt. Mit Chris und Mickey Freeland haben wir in den Beat Babies Studios in Baltimore aufgenommen und die Abmischung hat John Congleton in Dallas übernommen. Obwohl Andy und ich immer noch fürs Schreiben, Arrangieren und Einspielen zuständig waren, war es sehr aufschlussreich, den ganzen Prozess für fremde Ohren zu öffnen. Diese Vorgehensweise ermöglichte es uns, einen Schritt zurück zu treten und uns auf die Feinheiten der Songs zu konzentrieren, auf den Sound und das Gefühl des Albums, ohne uns in den technischen Finessen des Aufnehmens oder des Abmischens zu verlieren.

Hattet ihr einen bestimmten Sound im Kopf, als ihr ins Studio gingt oder hat sich das eher organisch entwickelt?

Typischerweise werden auch die besten Ideen und Vorsätze während der Aufnahmen über den Haufen geworfen, denn Songs tendieren dazu, die überraschendsten Entwicklungen zu durchlaufen. Es ist sehr wichtig, genau hinzuhören und auf die eigenen Instinkte zu vertauen, um es den Songs zu erlauben, zu reifen und sich zu entwickeln.

Wie würdest du „Civilian“ mit eurem letzten Studioalbum „The Knot“ vergleichen? Hat sich irgendetwas an eurer Herangehensweise geändert?

Wie bei jeder anderen Aktivität entwickeln sich auch beim Songwriting im Laufe der Zeit die eigenen Fähigkeiten durch Übung. In den Songwritingprozess für das neue Album steckte ich mehr Zeit als jemals zuvor. Nach eniger Zeit machte es Klick! und ich fühlte mich mit meinen Ideen und Worten auf einmal viel wohler. In diesen paar Wochen habe ich wohl mehr Songs geschrieben als in den ganzen Jahren zuvor. Die meisten haben es nicht aufs Album geschafft; die besten präsentierten sich als stimmiges Set und wurden schließlich zu „Civilian“.

Was magst du besonders am neuen Album?

Wenn ich mir das Album jetzt anhöre und über den ganzen Prozess nachdenke, bin ich am meisten von den Sounds und Teilen beeindruckt, die wir weggelassen haben. Von dem dadurch entstandenen Raum. Schicht um Schicht in einen Song zu packen ist nicht schwer, die Herausforderung ist das Weglassen der überflüssigen Schichten. Ich finde, das ist uns auf dem neuen Album bisher am Besten gelungen.

Ich nehme mal an, das du Computer in deinem Alltag verwendest. Inwieweit benutzt du sie auch für die Musik?

Ich hoffe, in diesem Jahr viel über elektronische Musik zu lernen. Wir werden die meiste Zeit des Jahres auf Tour sein, und ich kann diesen ganzen kreativen Schreibprozess nicht nur in meinem Kopf speichern. Glücklicherweise haben wir ein ansehnliches Arsenal an portablen Geräten und verschiedener Software, die wir mit uns um die Welt nehmen können. Ich hoffe, soviel Zeit wie irgend möglich mit dem Schreiben neuer Songs zu verbringen.

Apropos um die Welt: vor einer Weile habe ich gelesen, das ihr für euren Lebensunterhalt quasi permanent unterwegs seid, und das die CD-Verkäufe eher nur ein Taschengeld sind. Ist dieses Leben auf Tour nicht verdammt anstrengend?

Ja, definitiv. Sehr hart. Ich vermisse meine Familie und meine Freunde und die großartigen Künstler, Musiker und Leute in Baltimore permanent. Aber jeder muss für seinen Lebensunterhalt arbeiten, und ich bin in der glücklichen Lage, etwas zu tun, was ich liebe und kann obendrein um die ganze Welt reisen.

Fällt die Reaktion auf eure Musik in unterschiedlichen Ländern auch unterschiedlich aus?

Hmmm, schwer zu sagen. Soweit ich das sehe, ist die Art der Anerkennung in unterschiedlichen Ländern verschieden. Ich habe Shows an Orten gespielt, wo ich dachte, das wir alles total in den Sand gesetzt hätten, aber nach der Show erzählt mir jemand „nein, nein, die Leute hier reagieren immer so“. Unsere Musik ist sehr textlastig, und mich bestärkt es als Songwriterin jedes Mal, wenn ich es schaffe, das Publikum trotz sprachlicher oder kultureller Barrieren zu packen.

Euer Gratis-Auftritt vor ein paar Tagen im Hotel Michelberger war großartig.

Die Show im Michelberger war absolut großartig. Wir spielten kanpp eine Stunde in einem sehr vollen Raum vor einem sehr warmherzigen und begeisterten Publikum. Es hat unheimlich Spaß gemacht. Hinzu kommt, das das Hotel unglaublich toll und komfortabel war, und die Mitarbeiter waren äußerst höflich und zuvorkommend. Vielen Dank nochmal!

Gratis-Konzerte, Gratis-MP3s.. was denkst du als Künstlerin über das Internet und die Art und Weise, in der Musik heute entdeckt und vertrieben wird?

Sich der Veränderung zu widersetzen ist sinnlos. Die Art, in der die Menschen mit Musik interagieren, ändert sich permanent. Ich persönlich finde das aufregend und befreiend. Da ist eine Welt voller inspirierender Musik und Kunst verfügbar, die ich ohne das Internet niemals entdeckt oder gefunden hätte. Für mich als Musikkonsumentin und Künslerin wiegen die Vorteile wesentlich mehr als die Nachteile. Es ist sehr viel einfacher, mit einem neuen System zurecht zu kommen, wenn man aufgeschlossen und lernbereit ist.

Wünscht du dir manchmal, die goldenen Zeiten der CD miterlebt zu haben?

Neee. Wenn es die noch gäbe, wären wir heute nicht hier. Das Internet ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum uns die Leute kennen und unsere Musik gehört haben. Mit seinen Wünschen sollte man also vorsichtig sein! 🙂

Nenn mir doch bitte einen Musiker oder eine Band, die du liebst und von der du denkst, das viel mehr Leute ihre Musik hören sollten.

Unsere Freunde von Lower Dens aus Baltirmore. Ihr Album „Twin Hand Movement“ war ohne Ausnahme mein Favorit 2010.

Möchtest du meine Lesern noch etwas sagen?

Hi readers! Thanks for listening!

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Wye Oak – My Neighbor – Luxury Wafers Sessions from Luxury Wafers on Vimeo.