Interview: Norman Palm

Am 2. Juli erscheint mit „Shore To Shore“ das zweite Album des Songwriters Norman Palm, der aus Meppen kommt und momentan zwischen Berlin und Mexico City pendelt. Hört man sich sein zweites Album an, so ist das Pendeln zwischen den Kulturen und den Kontinenten für seine Musik sehr vorteilhaft, denn sie ist voll von großen Gefühlen, kleinen Sehnsüchten und wundervollen Songs.

nicorola: Ist deine CD-Sammlung inzwischen komplett auf deiner Festplatte und viel wichtiger: hast du die CDs entsorgt?

Norman: Leider nein. Die Türme stehen immer noch in meinem Schlafzimmer gleich neben den Kisten mit meinem Debütalbum, das leider zu großen Teilen bei mir lagert. Ich warte immer noch auf eine Lösung à la Spotify, die sich mit der Gema verträgt und von der auch Künstler etwas haben.

nicorola: Du hast also immer noch eine haptische Beziehung zu deiner Musiksammlung?

Norman: Ich habe eine haptische Beziehung zu einem Teil meiner Musiksammlung. Zu der Box mit der den ersten vier Pulp Alben, zu der Spiritualized CD, die verpackt ist wie eine riesige Aspirin, zu meiner japanischen Velvet Underground Nachpressung mit Bananensticker. Auf die ganzen Jewelcases könnte ich allerdings verzichten.

nicorola: Deine Eltern haben ja eine ziemlich abenteuerliche Geschichte mit Flucht aus Ost-Berlin und Aufenthalt im Gefängnis vorzuweisen. Schließlich sind sie in Meppen gelandet, einer kleinen Stadt im Emsland. Inwieweit prägt einen eine solche Gegend?

Norman: Ich bin kein großer Fan vom „Künstler-aus-der-Kleinstadt“-Mythos. Bei mir hat sich da kein Frust aufgestaut, den ich nun in Kunst verarbeiten muss. Es hat mich trotzdem geprägt, da man in einer Kleinstadt nicht viel Ablenkung und Unterhaltung findet. Will man etwas Kultur erleben, muss man aktiv werden und es selber machen. Dazu weiß man auch oft nicht, was in der „richtigen Welt“ gerade cool ist, d.h. man muss sich nicht so viel vorschreiben lassen. Wir hatten schon mit 16 eine ziemlich coole Band, haben Installationen an die Wand genagelt und eigenartige Bilder gemalt.

nicorola: Wie und wann bist du aus Meppen geflohen?

Norman: Ich bin nach dem Abi aus Meppen weg und habe in Berlin an der Kunsthochschule mein Studium begonnen.

nicorola: Wenn ich richtig informiert bin, lebst du in einer Fernbeziehung, die du auch in deinen Texten verarbeitest. Wie schwer fällt es dir, von den ganzen Kilometern zwischen euch zu wissen?

Norman: Naja, um das Wissen von all den Kilometern komme ich ja nicht herum. Glücklicherweise muss man ja heute keine Liebesbriefe mehr per Frachtschiff über den Atlantik schicken. Wir sind über das Netz vielleicht ständiger in Kontakt als Nahbeziehungspaare, außerdem sehen wir uns für die Distanz auch sehr oft.

nicorola: Inwieweit fühlst du dich auf dem Tegeler Flughafen zuhause?

Norman: Tegel ist ja klein, da fühlt man sich schnell zuhause. Wir haben vor kurzem ein Fotoshooting auf dem Dach des Flughafens gemacht, jetzt kenne ich mich dort richtig aus!

nicorola: Hat das Einfluß auf die Stimmung deiner Songs?

Norman: Das Reisen hat in sofern Einfluss, als dass ich mir bis heute kein Studio, oder wenigstens eine feste Arbeitsumgebung eingerichtet habe. Wenn ich Musik mache, also schreibe, dann greife ich immer noch zum nächstliegenden Instrument: in Berlin die Gitarre, in Mexiko oft nur eine Ukulele. Dann klappe ich den Laptop auf und nehme unkompliziert etwas mit Garage Band auf. So kann ich sehr direkt arbeiten und alles festhalten, was mir so zufliegt.

nicorola: Dein neues Album „Shore To Shore“ ist im Kasten und wartet auf seine Veröffentlichung. Wie zufrieden bist du?

Norman: Ich bin recht zufrieden mit dem Ergebnis. Ich wollte nach meinem Debüt – einer klassischen Singer-Songwriter-Platte – ein Pop-Album aufnehmen, aber dabei nicht die Intimität und den Charme verlieren, den meine alten Sachen ausgemacht haben. Außerdem sollte es sehr viel musikalischer werden. Ich glaube, das ist gelungen.

nicorola: Wo siehst du die Hauptunterschiede zum Vorgänger?

Norman: Der große Unterschied ist erstmal die Instrumentierung. Wir haben uns eine ganze Weile im Studio eingesperrt, mit alten Synthesizern experimentiert, die Songs arrangiert, elektronisches hinzugefügt und so eine gewisse Athmosphäre geschaffen. Die alte Platte lebte von ihrer Direktheit, einem eher spröden Charme und der Ironie, mit der ich versucht habe Singer-Songwriter Klischees mit einem Augenzwinkern zu behandeln. Die neue Platte nimmt sich selbst vielleicht etwas ernster.

nicorola: Ihr habt ja ein wenig mit dem Thema Album Leak gespielt und ein Fake-Video eines U-Bahn-Verkäufers in Mexico City gedreht, welcher dein neues Album zum Verkauf anbietet. Muss man diesem für viele Musiker ja durchaus ärgerlichen Thema mit Humor begegnen?

Musik ist heute sehr viel zugänglicher, wird getauscht und kann auch ohne Prädikat eines Labels oder der Journalisten ihre Hörer schaffen.Norman: Das ganze ist ein zweischneidiges Thema. Einerseits ist es natürlich ärgerlich, dass Künstlern und Labels durch die Piraterie der verdiente Lohn durch die Lappen geht. Andererseits ist die Pop-Musik von einem Thron gestoßen worden, auf den sie vielleicht nie gehörte. Musik ist heute sehr viel zugänglicher, wird getauscht und kann auch ohne Prädikat eines Labels oder der Journalisten ihre Hörer schaffen. Wenn in Mexico City die Piraten-Verkäufer die U-Bahn betreten und völlig zufällig ausgewählte Songs aus Ihren Rucksäcken plärrt, sind das oftmals schöne und spontane Begegnungen mit Musik. Ich fand es immer interessant mich auch als Künstler mit dem Thema auseinanderzusetzen. Mit meinem ersten Album habe ich den MP3s ein 200-seitiges Buch entgegen gestellt. Jetzt verkaufe ich meine eigenen Raubkopien.

nicorola: Inwieweit ist es heutzutage wichtig, den Fans bereits vor der VÖ einen kompletten Stream oder zumindest eine Vorab-MP3 anzubieten? Geht es nicht mehr ohne?

Norman: Die Labels sagen, es geht nicht mehr ohne. Ich bin ja nicht Lady Gaga, bei der Millionen auf das nächste Album warten, ich kann über das Netz sehr unkompliziert an die Leute herantreten und sagen „Hört euch mal meine Platte an“. Wer sie dann zuhause in guter Qualität hören möchte oder sie von seinem iPod spielen möchte, kann sie ja dann kaufen.

nicorola: Käme für dich eine Art der Distribution a la Radiohead (bezahl, was du möchtest) in Frage?

Norman: Der direkte Vertrieb von Künstler zum Hörer gefällt mir, das habe ich ja mit meinem ersten Album auch gemacht. Die Idee „Zahl was Du willst“ scheitert an der Realität, auch wenn Radiohead meines Wissens nach nie konkrete Zahlen veröffentlicht haben, zahlen die meisten Leute gedeckt von der Anonymität des Internets nur ein Minimum von dem, was man normalerweise für eine Platte verlangen müsste. Bei Radiohead geht das immer noch auf, weil sie Millionen Exemplare verkaufen. Ich könnte mit einem 1-Euro Alben die Kosten von Aufnahme und Produktion nicht decken.

nicorola: Soweit ich weiß, bist du gelernter Grafiker. Gibt es zum neuen Album ebenfalls so ein kunstvolles und umfangreiches Booklet wie zu „Songs“?

Norman: Ich habe zum neuen Album nicht mal das Cover selbst gestaltet, sondern das Artwork an zwei Designerinnen aus Paris gegeben. Es wäre langweilig gewesen, das einfach nochmal zu machen, ich wollte mich nicht als „der Typ der immer ein Buch dazumacht“ auszeichnen, sondern diesmal vor allem musikalisch ein gutes Album produzieren. Das heißt allerdings nicht, dass ich nicht auch in Zukunft Musik und Visuelles zusammenbringe, wie ich es ja auch mit dem Mexiko-Piraten-Video gemacht habe.

nicorola: Siehst Du dich eher als Wanderer zwischen den Welten oder ist die Musik mit der Kunst bei dir im Einklang?

Norman: Ich versuche möglichst wenig zu trennen. Die Herangehensweise ist oft ähnlich. Ich bin ein Freund des Gesamtkunstwerks und denke schon während der Aufnahmen daran, wie die Songs miteinander korrespondieren werden, wie Video oder Artwork werden könnten und wie man das ganze kommuniziert. Allerdings ist Design für mich etwas sehr viel zielgerichteteres, gestalterische Absicht und Rezeption sollte da übereinstimmen. Bei der Musik darf zwischen Autor und Hörer viel mehr passieren, das heißt Musik ist offener für Interpretation, ist emotionaler und sagt so jedem Hörer vielleicht etwas anderes.

nicorola: Im Herbst geht es auf Deutschlandtour. Was können wir von dir auf der Bühne erwarten? Wer wird dich begleiten?

Norman: Mittlerweile spiele ich live mit einer kleinen Band. Wir sind zu dritt: Mein Produzent Janne Lounatvuori bedient allerhand Tasteninstrumente, tritt auf eine Basedrum und spielt eine karibische Steelpan. Obi Blanche, der selbst als Solo-Künstler elektronische Musik macht, steht am Sampler und spielt elektrische Gitarre. Dazu haben wir alle denselben kleinen 80er Jahre Analogsyntesizer für die elektronischen Parts.

nicorola: Möchtest du meinen Lesern noch etwas sagen?

Norman: Kommt zu den Konzerten 🙂

nicorola: Vielen Dank für das Interview!

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Homepage

Albumstream: „Shore To Shore“

[soundcloud width=“100%“ height=“285″ params=““ url=“http://soundcloud.com/normanpalm/sets/norman-palm-shore-to-shore“] Norman Palm – Shore to Shore by Norman Palm

Tourdaten:

10.09. 2010 – Berlin @ Berlin Festival
11.09. 2010 – Hamburg @ Übel & Gefährlich
12.09. 2010 – Köln @ Studio 672
13.09. 2010 – Frankfurt @ Brotfabrik
14.09. 2010 – Dresden @ Societätstheater
15.09. 2010 – Nürnberg @ Musikzentrale
16.09. 2010 – Marburg @ FZW
17.09. 2010 – München @ Atomic Cafe
19.09. 2010 – Schorndorf @ Manufaktur
23.09. 2010 – Leipzig @ F-Stop Festival
24.09. 2010 – Erfurt @ Klanggerüst

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