Interview: Get Well Soon

Nach einer produktionsbedingten Verschiebung erscheint nächsten Freitag das mit Spannung erwartete Zweitwerk von Get Well Soon. Die Erwartungen an Konstantin Gropper sind nicht nur auf meiner Seite sehr hoch, aber da ich das Album schon hören konnte, kann ich euch beruhigen: Vexations ist ganz wundervoll geworden. Natürlich hatte ich auch diesmal einige Fragen an Konstantin, die dieser mir netterweise ausführlich beantwortete.

Hallo Konstantin. Danke das Du dir die Zeit nimmst, mir einige Fragen zu beantworten. Aus deiner Sicht: wie waren die beiden letzten Jahre seit dem Erscheinen von „Rest Now Weary…“?

Sie waren in erster Linie sehr voll und anstrengend. Aber natürlich auch schön. Musik ist zu meinem Beruf geworden. Und es hat sich definitiv als Fulltime-Job herausgestellt. Seit dem Erscheinen des Debüts hatte ich tatsächlich ununterbrochen zu tun. Das ist natürlich toll, aber Zeit, das alles mal zu reflektieren bleibt da eigentlich nicht.

Die Songs deines Debüts hatten ja teilweise bis zu 4 Jahre Zeit zu reifen. Jetzt war der Songwriting-Prozess wesentlich straffer. Inwieweit hat das deine Arbeit und das Ergebnis beeinflusst?

Für mich war das eigentlich sehr gut, dass ich mich diesmal kürzer fassen musste, also eigentlich wollte – Zeitdruck von außen gab’s ja nicht. Es war ein gänzlich anderes Arbeiten als noch beim Debüt und deshalb umso spannender. Es war ein kompakter und konzentrierter Zeitraum, der komplett für das Album bestimmt war.

Für mich ist es dadurch runder und geschlossener geworden als das Debüt. Da sind die Songs ja wirklich über Jahre hinweg in ganz verschiedenen Phasen entstanden. Dass es dadurch eben auch relativ wild in viele Richtungen ging, sahen ja viele gerade als Stärke an. Bei diesem war es mir dennoch wichtiger ein geschlossenes Ganzes zu erarbeiten.

Wie bist Du mit dem sicherlich hohen Erwartungen und Ansprüchen deiner Fans an Get Well Soon umgegangen?

Ich habe natürlich schon darüber nachgedacht. Das kann man natürlich nicht ausblenden. Letztendlich konnte ich sowieso nicht einschätzen, ob’s eine bestimmte Erwartungshaltung gab und wenn weiß ich auch nicht, ob ich die erfüllen hätte können bzw. ab man überhaupt so arbeiten sollte. Ich bin, wie beim Debüt, eben doch meinem eigenen Urteil unterworfen.

Das bestätigt sich jetzt auch in den Reaktionen. Die liegen meilenweit auseinander. Von „viel besser“, über „genau gleich“ bis „viel schlechter“, von „zu schön und zugänglich“ bis „zu sperrig“, von „eindeutig positiver“ bis „tiefschwarz-düster“ ist alles dabei. Schlau kann man daraus nicht werden. Es ist nur schön zu sehen, dass alles subjektiv ist.

Ich vermute, das der Aufnahmeprozess von „Vexations“ sich sehr von dem deines Debüts unterschieden hat. Wie war es für dich, außerhalb deines Schlafzimmers aufzunehmen?

Eigentlich war der maßgebliche Teil, also das Schreiben und Arrangieren, genau gleich. Es gibt von „Vexations“ auch eine Schlafzimmer-Version, mit viel Programmiertem und Gesampleten. Diese im Prinzip fertigen Demos gingen dann an die Musiker, die sie dann „nachgespielt“ haben. Diese Arbeit im Studio war dann allerdings Neuland. Und für mich ein Riesenschritt nach vorne. Echt ist dann halt doch echt. Menschen, Instrumente, Räume. Ein Riesenspaß!

Ich bin immer noch ein großer Fan des Albums im klassischen Sinne. Auch wenn es immer wieder totgesagt wird.

Bei deinem letzten Interview sagtest Du: „Das ganze soll Anfang und Ende haben und auch in der Dramaturgie Sinn ergeben. Es ist jetzt kein Konzeptalbum, aber ich habe mir schon so meine Gedanken dazu gemacht.“ Ist dieser Ansatz auf „Vexations“ noch stärker ausgeprägt?

Das liegt ja allein schon im Entstehungsprozess begründet. Wenn Auf „Rest Now…“ die Songs dahingehend „ausgewählt“ sind, dann sind sie auf „Vexations“ schon dahingehend geschrieben. Ich bin immer noch ein großer Fan des Albums im klassischen Sinne. Auch wenn es immer wieder totgesagt wird. Für meinen Geschmack muss das ein Album eben haben, diesen Zusammenhalt. Sonst kann man ja wirklich nur Singles machen und Compilations.

Du hast dieses Mal recht bemerkenswerte Songtitel ausgewählt. Neben „Werner Herzog Gets Shot“ und „A Voice In The Louvre“ ist „Red Nose Day“ mein Favorit. Da ich leider nur eine Promo-CD besitze: worum geht es in diesem Song konkret?

Bei diesem Song kam der Titel erst recht spät dazu. Eigentlich handelt der von der sehr naiven und vermeintlich offensichtlichen Einsicht, dass man im Leben einfach von einem Broterwerb abhängt. Ich finde die Tatsache immer wieder komplexer und eigentlich meistens auch trauriger als sie auf den ersten Blick scheint. So alt wie die Menschheit.

Der Titel kam dann während der ARD-Themenwoche zum Ehrenamt zustande. Auch eine sehr naive Kampagne. Es geht eigentlich um den Wert und Gegenwert von Tätigkeiten, das wiederum wertfrei 🙂

Wieviel von deiner Persönlichkeit oder deinen Erfahrungen steckt in deinen oftmals sehr düsteren Texten?

Natürlich ist das Schreiben und vor allem die Themenwahl sehr persönlich motiviert. Dem Ganzen steht nur etwas im Weg, dass ich als Privatperson sehr ungern in der Öffentlichkeit stehe. Deshalb gehen meine Bemühungen schon dahin, das zu trennen. Also die Kunst von mir als Person.

get well soonIch finde ja den postmodernen Gedanken, dass der Autor vollkommen irrelevant ist und das Werk alleinstehend und vom Schöpfer getrennt betrachtet werden muss, sehr richtig und auch beruhigend. Leider ist das im Pop ja nun überhaupt nicht angekommen. Da wird immer schön strukturalistisch gefragt: Wo kommt der her? Was für eine Szene? Was für eine Kindheit? Wie geht es ihm? In welcher Lage hat er das geschrieben?

Das ist vielleicht der Grund warum ich mich bei diesem Album stark auf andere Autoren beziehe. Ich kann nur sagen: natürlich ist das eine sehr persönliche Platte mit sehr persönlichen Themen, weil sie mich beschäftigen. Letztendlich ist aber doch das, was ich mir dabei denke egal und schon gar nicht richtiger als das was der Hörer dabei denkt.

„Vexations“ ist kein Album, das man beim ersten Mal erfasst. Dafür aber eines, welches sich mit jedem Durchgang mehr erschließt. Ich vermute, du bist auch eher ein Albumhörer, der sich Platten gerne erarbeitet, oder?

Das ist definitiv so. Ich will das mal mit Filmen vergleichen. Ich sehe mir sehr gerne Hollywood-Feelgood-Filme an. Aber mit einem Mal sehen ist das Vergnügen beim Abspann vorbei. Das ist ja auch gut so. Aber von einem wertvollen Film will ich eben länger was haben. Der kann mich erst mal verwirren und erst ne Woche später seine Wirkung entfalten. Aber diese Filme bleiben bei einem.

So ist das auch mit Platten. Ob das bei meiner so ist, kann ich ja selbst nicht beurteilen. Aber mir ist es definitv lieber wenn Leute sagen: ich hab 3 Durchgänge gebraucht, aber danach wollt ich’s noch 3 mal hören, als dass es beim zweiten Mal schon langweilt. Da kann ich nur hoffen, dass die Hörer der Platte eben die nötige Zeit geben.

Wie kam es eigentlich dazu, das „La Chanson d’Hélène“ von Romy Schneider auf der Special Edition des Albums gelandet ist?

Das ist schon länger eines meiner Lieblingslieder und Romy eben auch meine Lieblingsschauspielerin. Da kann ich gar nicht genau sagen, wieso. Ich bin einfach immer irgendwie gerührt von ihr. Und dieses Lied passt irgendwie genau zu ihrer Person und diesem Gefühl.

Mitte Februar startet die Tour von Get Well Soon. Wie wird die Umsetzung der doch recht komplexen Songs auf der Bühne aussehen?

Ich war selbst etwas überrascht, dass es live relativ nah am Album ist. Aber eher weil uns natürlich einige Instrumente und Musiker für die volle Klangfülle fehlen, nicht weil es komplex ist. Weil sooo komplex ist es wirklich nicht. Das möchte ich hier mal klarstellen. Woher die Wirkung kommt, weiß ich nicht, aber eigentlich ist es nicht komplex.

Du bist ja auch viel im benachbarten Ausland unterwegs. Gibt es Länder, in denen du besonders gerne unterwegs bist?

Da gibt’s bei jedem Land natürlich Licht und Schattenseiten. Aber – Klischee hin oder her – das Essen ist in Frankreich und Italien schon verdammt gut. Dafür sind in den Beneluxländern die Clubs extrem gut ausgestattet. Aber eigentlich bin ich überall sehr gerne unterwegs und vor allem natürlich sehr dankbar, dass wir in ganz Europa touren können. Das hätte ich mir ja nie träumen lassen.

Möchtest du meinen Lesern noch etwas sagen?

Hört das Album – wenn nötig – auch noch ein zweites mal.


Kommentare

Eine Antwort zu „Interview: Get Well Soon“

  1. Hehe, geil, wie er beim Ausland zuerst auf das Essen zu sprechen kommt. Seine Vorliebe für Alben als Format und beeinflussender Faktor teile ich zu 100% – ich höre fast nur Alben im Komplettdurchgang und stehe damit wohl ziemlich alleine da.

    Seine Meinung zur Trennung von Werk und Autor finde ich interessant, zumal ich eher Anhänger der „biographischen“ Interpretation bin.

    Schönes Interview!