Anfang der Neunziger, irgendwo in Niedersachsen. In sitze in der Küche mit Kopfhörern auf dem Kopf. Neben mir wahrscheinlich ein Glas Saft oder Cola und ein paar Chips. Ich höre eine Radiosendung. Dort höre ich immer wieder Musik, die mich irritiert, weil sie mir unbekannt ist. Die mich aber bisweilen auch begeistert oder im besten Fall zu einem Fan macht. Der Moderator war und ist Legende: Ecki Stieg. Seine Sendung „Grenzwellen“ auf dem Privatsender FFN war nicht nur für die Hörer ein Phänomen, sondern auch für die Verantwortlichen. Und weil sie zu erfolgreich war, wurde sie schlußendlich auch abgesetzt.
Gestern kam mir der Name Ecki Stieg in den Sinn. Warum? Ich weiß es nicht. Einfach so. Und nach kurzer Recherche fand ich ein wirklich sehr lesenswertes Interview mit diesem Musikliebhaber, der heute bei NDR Info arbeitet. Ein Stück Radiogeschichte, ein Blick auf die Musikwelt von damals und heute, eine Liebe zur Musik.
Beispiele:
Das ist ein Hand-in-Hand-Spiel mit der unseligen Musikindustrie, die natürlich auch wieder total verblödet war und auf das Formatradio so massiv reagiert hat, dass sie ernsthaft Schaden genommen hat. Um mal ein simples Beispiel zu nehmen: Um Titel vermeintlich massenkompatibel zu machen, wurden Gitarrensoli aus den Stücken heraus geschnitten. Selbst bei Songs von Weichspülern wie A-Ha wurden Soli entfernt, weil gesagt wurde, ‚das tut den Leuten weh, das können wir denen nicht zumuten’. Es wurden also Stücke bewusst absolut verstümmelt.
Antenne Bayern hat uns das beeindruckend vorgemacht, denn Antenne Bayern hatte dieselben Beraterfirmen wie ffn auch. Die Musikindustrie hat darauf dann reagiert und ist danach mit so flachen Produkten an den Start gegangen, die schon per se nicht wehtun, was letztendlich dazu führte, dass innovative Musik nur noch außerhalb der Service-Stationen statt fand.
Ich befürchte, dass auch die Leute, die das Medium Internet nutzen, doch wieder zu den Sachen zurückkehren, die sie bereits kennen. Gerade grenzenlose Freiheit und unendliche Wahlmöglichkeiten treiben die Leute vermehrt wieder zurück in ihren überschaubaren, warmen Kuschelkosmos, in dem jeder Ton am rechten Platz sitzt. Ich kenne das ja von mir selbst: bei youtube gebe ich erstmal die Bands ein, die ich kenne, in der Hoffnung, ein Stück oder eine Dokumentation zu sehen, die ich von dem Lieblingsinterpreten noch nicht kenne. Was ich sagen will: Neue Medien verändern die Hörgewohnheiten wenig. Je mehr Kanäle ich im Fernsehen zur Auswahl habe, desto mehr beschränke ich mich auf ein oder zwei qualitativ verlässliche, der Rest nervt und irritiert. Das ist die Crux: Technisch abrufbar ist eine enormer Content, aber die Geisteshaltung der Up- und Downloader ist ein Rückfall ins letzte Jahrhundert, denn ich habe keine Vielfalt, sondern nur unreflektierte Masse.
Kommentare
4 Antworten zu „Grenzwellen“
ach, damals konnte man ffn zumindest abschnittsweise hören, heute ist das, dank „format“, ja unmöglich geworden.
Ich find ja irgendwie dieses “downloader sind nur gierige Sammler von Datenmaßen” ist nen Verteuflungsding der Musikindustry. Ich glaube nicht dass dies auf sooooo viele zutrifft.
Ansonsten nen netter Artikel.
Ich saß zwar nicht in der Küche und konnte oft wegen der kinderuntauglichen Zeit oft nicht einschalten, doch ich erinnere mich dennoch gut. Genauso wie an Steve Mason’s Experience auf BFBS – Experimentierfreudige Musik, die dem Mainstream weichen musste. Schade eigentlich. Übrigens haben die Grenzwellen sogar einen Wikipedia-Eintrag: http://de.wikipedia.org/wiki/Grenzwellen
grenzwellen = 🙂