„Geht auf Konzerte und lasst euch inspirieren.“ Interview mit Bonheur

Vor ein paar Wochen schrieb mich eine Band an, die mir mit netten Worten ihre Single Another Dirtbag anpries. Der Name Bonheur sagte mir nichts, aber der Song gefiel mir so gut, dass ich ihn hier vorstellte. Heute erscheint die neue Single Shit Show und die Band war so nett, mir ein paar Fragen zu beantworten.


Hallo. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, mir ein paar Fragen zu beantworten. Könntet ihr euch zu Beginn bitte kurz vorstellen?

Fabi: Hi, ich bin Fabi. Ich spiele Gitarre und Synthesizer.

Lukas: Hey zusammen, ich bin Lukas. Ich singe, spiele Gitarre, Synthesizer und Klavier in der Band.

Wie kam es zur Gründung eurer Band im Jahr 2016 und schließlich zum Namenswechsel von Into The Fray zu Bonheur?

Fabi: Lukas und ich kannten uns von dem gemeinsamen Proberaum, in dem wir mit unseren damaligen Teenie Punkrock Bands probten. Into The Fray war zunächst Lukas Solo Projekt, kurze Zeit später kam ich dazu und wir spielten einige Jahre viel zu zweit.

Ab dem Jahr 2018 wurde dann das Projekt ambitionierter und dann schließlich zu einer richtigen Band als Mari (Bass) und Basti (Drums) Teil der Formation wurden. Wir spielten über 100 Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Als 2020 der Corona-Stillstand einbrach, hat das, wie bei vielen anderen in der Branche, sämtliche Pläne über den Haufen geworfen. Wir haben erstmal eine lange Zeit nicht viel zustande gebracht, es gab ja kein Licht am Horizont, keine motivierenden Live-Shows.

Schließlich konnten wir jedoch das Ruder herumreißen und haben diese Zeit genutzt, um uns neu aufzustellen. Wir waren in einem abgelegenen Ort auf der Alb und haben uns dort für intensive Songwriting Session eingeschlossen. Was dabei herauskam, haben wir dann mit viel Liebe fürs Detail in zwei Wochen Aufenthalt im Studio aufgenommen.

Die aufgenommenen Songs, aber auch der ganze Prozess, der dahin geführt hat, hat sich komplett anders angefühlt als alles Bisherige, das wir mit Into The Fray gemacht hatten. Wir haben gemerkt, dass wir uns und auch unsere Musik sich verändert haben und beschlossen, mit einem neuen Namen ein neues Kapitel aufzuschlagen.

„Wir haben gemerkt, dass wir uns und auch unsere Musik sich verändert haben und beschlossen, mit einem neuen Namen ein neues Kapitel aufzuschlagen.“

Wie hat sich euer Sound und euer Songwriting seit der Gründung der Band weiterentwickelt, insbesondere im Hinblick auf euer neues Album?

Lukas: Ich glaube, dass wir alle in der Band uns extrem weiterentwickelt haben. Sowohl musikalisch als auch persönlich, und genau so fühlt und hört sich das Album auch an. Ein bisschen erwachsener und weniger zerbrechlich als früher, aber auch nur ein bisschen. Auch wenn es nie geplant war, ist eine totale Coming of Age Platte entstanden.

Die Texte handeln vom Erwachsen werden und dem Versuch, damit klarzukommen und sind wesentlich persönlicher als bisher. Auch der Bandprozess hat sich sehr gewandelt. Dadurch, dass ich in Berlin lebe und der Rest der Band in Stuttgart, entstehen Songs ganz anders als früher.

Manchmal schickt mir zum Beispiel Mari ein paar Bass Loops, welche ich dann durchhöre, selektiere und meine Ideen dazu festhalte. Dann checken wir die Idee nächstes Mal gemeinsam im Proberaum aus und basteln daraus einen ganzen Song. Oft sind die Ideen noch gar nicht ausgereift sondern nur ein Fetzen vom Song und lassen noch sehr offen, wo die Reise hingeht.

Wenn ich richtig informiert bin, heißt euer Debütalbum „Sometimes it hurts but that’s okay“. Wann wird es erscheinen und wird es vorher noch weitere Singles geben?

Fabi: Ich kann schonmal so viel verraten: Das Album wird im Oktober 2024 erscheinen und neben “Another Dirtbag“ wird es noch fünf weitere Singles geben.

Ich bin von eurer aktuellen Single Another Dirtbag ja sehr angetan. Inwieweit repräsentiert  der Sound von Another Dirtbag das Gesamtkonzept des Albums?

Lukas: Vielen Dank erstmal. Das freut mich total, dass dir der Song gefällt. “Another Dirtbag“ hat für uns ein sehr speziellen Platz im Herzen, da die Idee dafür tatsächlich bei der aller ersten Probe nach der Pandemie entstanden ist. Ich glaube, diese Energie und auch gleichzeitige Lethargie kann man deutlich raushören.

Wie repräsentabel der Song für das ganze Album ist, ist ziemlich schwer zu sagen. Für mich fühlt sich das Album an wie eine Reise oder ein Film mit vielen Ups und Downs und einer gewissen dramaturgischen Linie.

“Another Dirtbag“ ist auf jeden Fall was die Energie angeht einer der Up-Momente des Albums, spiegelt aber nur einen kleinen Teil der soundlichen Welt des Albums wider. Ich denke, dass die kommende Single “Shit Show“, welche am 15.03. erscheint, noch besser den Sound und die Dynamik der Platte widerspiegelt.

Welche Ziele und Hoffnungen habt ihr für die Zeit nach der Veröffentlichung eures Debütalbums? Gibt es bestimmte Festivals, Orte oder Kollaborationen, die ihr anstrebt?

Fabi: Unser letztes Konzert mit Into The Fray, war kurz bevor Corona ausgebrochen ist. Es sind also vier Jahre seitdem vergangen. Wir freuen uns wahnsinnig darauf wieder live spielen zu können und wollen das auch so viel wie möglich machen.

Wir wollen eine kleine Deutschland Tour im Herbst spielen und dann 2025 noch viel mehr spielen. Ein Traum wäre natürlich auf Indie-Liebhaber-Festivals wie dem Appletree Garden oder Maifeld Derby spielen zu dürfen.

Als Inspiration nennt ihr ja Radiohead, Phoebe Bridgers, Grizzly Bear und Klangstof. Inwiefern haben diese vielfältigen Einflüsse dazu beigetragen, euren kreativen Horizont zu erweitern und neue Möglichkeiten in eurem Songwriting und Sounddesign zu entdecken?

Lukas: Die Inspirationen sind tatsächlich sehr breit gefächert, da wir alle in der Band einfach sehr viefältige Einflüsse haben. Natürlich haben wir alle einen ähnlichen Geschmack was Indie/Alternative Bands angeht, aber alle fühlen und interpretieren Musik dann ja doch wieder sehr unterschiedlich und das finde ich mit am spannendsten beim Musik machen als Band.

Jeder von uns achtet auf unterschiedliche Dinge sowohl beim Musik hören als auch beim Songwriting. Ich finde, dass genau diese Kombination das Konstrukt einer Band so interessant macht. Im Prozess des Songwritings und auch im Studio selber ist es gar kein bewusstes, wir möchten, dass dieser Synthi klingt wie bei Klangstof oder das die Vocal Production nach Thom Yorke klingt. Es kommt einfach eins zum andern.

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig cheesy, aber ich finde, dass gemeinsame Soundtüfteln und Arrangen der Songs im Studio ist für mich persönlich das Schönste, was es gibt. Es führt eins zum anderen und plötzlich, obwohl man sich gerade noch dachte, ‚ohje mal schauen wo der Song hinführt‘, passiert diese Magic im Raum und alle merken, oh wow das ist es.

In diesem Prozess kommen natürlich unsere Inspirationen und Einflüsse aus uns heraus. Das ist aber viel mehr ein unterbewusster Prozess und kein aktives ‚lass uns so klingen wie xyz‘.

Gibt es zurzeit ein Lieblingslied, das ihr hört, oder Künstler*innen, die euch besonders inspirieren?

Fabi: Die Berlinerin mit Stuttgarter Wurzeln Amelie in The Woods macht schon seit vielen Jahren fantastische Musik und hat jetzt endlich ihr erstes Studioalbum veröffentlicht. Die Platte ist ein akustisches Erlebnis geworden und verbindet jazzy Vibes mit dunklen Pop- und Elektro-Klängen. Unbedingt reinhören.

Wir alle zahlen unser Abo monatlich an Spotify und Co und danach hört es schon bei den meisten auf. Viele hinterfragen viel zu selten, was davon eigentlich bei den Künstler*innen ankommt und was eigentlich alles dazugehört, bis wirklich ein Song final rauskommt.

Welche Herausforderungen und Chancen seht ihr in der heutigen Zeit für aufstrebende Bands, welche Rolle spielt das Internet in eurer Karriere? Gibt es positive oder negative Erfahrungen, die ihr im Umgang mit der Branche gemacht habt?

Lukas: Gute Frage, aber schwer zu beantworten in ein paar Sätzen. Kurz gesagt: Das Internet liefert unendliche Freiheiten und Möglichkeiten für Artists, aber ist gleichzeitig auch Fluch und Segen. Ich finde es extrem problematisch, wie selbstverständlich unsere Gesellschaft mittlerweile Musik wahrnimmt.

Wir alle zahlen unser Abo monatlich an Spotify und Co und danach hört es schon bei den meisten auf. Viele hinterfragen viel zu selten, was davon eigentlich bei den Künstler*innen ankommt und was eigentlich alles dazugehört, bis wirklich ein Song final rauskommt. Es steckt so unfassbar viel Arbeit, Zeit und Geld darin, und die Wertschöpfungsketten – und leider auch die Fördertöpfe – werfen zu wenig für Nachwuchskünstler*innen ab.

Ich  möchte damit niemanden persönlich kritisieren, ich möchte eigentlich nur alle dazu ermutigen, wieder bewusster Musik zu genießen und die Artists zu unterstützen, indem man sich vielleicht die Platte oder ein Shirt holt. Geht auf Konzerte und lasst euch inspirieren.

Noch kurz zu Social Media: Ich habe meine Liebe für Musik entdeckt als ich 10 war und Billy Talent bei Rock am Ring im Fernsehen gesehen habe. Das ist, was ich möchte. Songs schreiben und live spielen. Ich bin kein Full Time Content Creator und leider ist das mittlerweile eine Art Grundvoraussetzung, um überhaupt irgendwie in diesem lautem Rauschen zu bestehen.

Ich habe leider keine Infos zu Liveauftritten gefunden, deswegen nutze ich hier die Chance: ist eine Tour geplant?

Fabi: Wir können noch nicht zu viel verraten, aber es wird im Sommer die ersten Aufritte auf dem ein oder anderen Festival geben. Und, wie schon erwähnt, wollen wir im Herbst in einigen der großen deutschen Städte spielen. Es lohnt sich da natürlich unseren Social Media Kanälen zu folgen, da werden wir alles announcen.

Gibt es spezielle Rituale oder Gewohnheiten, die ihr vor einem Auftritt habt, um euch in die richtige Stimmung zu bringen?

Lukas: Wir haben uns früher zusammen im Kreis aufgestellt und einen kleinen Schnaps zusammen getrunken. Mal sehen, ob wir das beibehalten oder ob sich dieses Jahr nach langer Pause was neues etablieren wird.

Habt ihr noch Empfehlungen für meine Leser?

Fabi: Wieder die Begeisterung für kleine und große Konzerte entdecken. Jetzt im Frühjahr platzen ja die Tour-Kalender aus allen Nähten. Support your local Artist und local Venues.

Oder: Weniger Podcasts und wieder mehr Musik hören. 😉

Vielen Dank für das Interview!


Website der Band, Shit Show im Stream

Foto: Gerrit Wohnsdorf