EL VY – Return to the Moon (Review)

Das Leben als Musiker auf Tour ist anstrengend und kann zu Schlaflosigkeit führen. Matt Berninger kann ein Lied davon singen (Spoiler: und er macht es auch). Jahrelang befüllte der Frontmann von The National einen geheimen Ordner auf seinem Laptop. Dieser Ordner, schlicht  „The Moon“ betitelt, war seine Beschäftigung, wenn er sich nach Konzerten mit seiner Band alleine und ausgelaugt in einem Hotelzimmer die Nächte um die Ohren schlug.

In diesem Ordner befanden sich Fragmente von Songs, die Berninger zusammen mit dem Musiker Brent Knopf (ehemals Menomena, jetzt Ramona Falls) entwickelt hatte. Die beiden Musiker kennen sich schon seit Ewigkeiten. The National und Menomena bestritten damals ihre ersten Touren zusammen, spielten gemeinsam an der Ostküste der USA. Über die Jahre blieb die damals entstandene Freundschaft erhalten.

Seit damals wuchs auch die Idee für ein gemeinsames musikalisches Projekt in den Köpfen der beiden Musiker. In den vergangenen Wintermonaten ließ sich nach langen Jahren des Wartens erstmalig ein ausreichend großes Zeitfenster finden, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Und so wurden aus den unfertigen Skizzen, die sie sich über Jahre hinweg per E-Mail zugeschickt hatten, schließlich richtige Songs.

You were supposed to be here before the last song

Wie man sich das Ergebnis dieser Kollaboration vorstellen kann, durften wir bereits in den vergangenen Wochen erleben. Denn EL VY veröffentlichten vor Erscheinen ihres Albums „Return To The Moon“ bereits fünf Songs im Vorraus. Und zwar genau in der Reihenfolge wie auf dem Album. Solltest du den Neuigkeiten zu EL VY in den letzten Wochen gefolgt sein (vielleicht hast du sogar meine Playliste gehört), dann kennst du die erste Hälfte des Albums bereits.

Zum Beispiel das luftige Titelstück, welches eine typische Gesangslinie von Berninger mit der verspielten und in diesem Fall poppigen Instrumentierung von Knopf kombiniert. Dazu kommt noch eine gehörige Portion schwarzer Humor und eine Prise Ironie. Wenn Berninger  die Zeilen “I couldn’t get ahold of my big sister / When I tried to call her just to tell her that I missed her / I called and cried to room service instead” singt, dann klingt das autobiografisch, im Gesamtkontext des Songs “I’m The Man To Be” aber auch äußerst unterhaltsam.

Die richtig guten Songs dieses Projekts wie “Need A Friend” verknüpfen den markanten Bariton Berningers mit den verspielten und treibenden Instrumentals von Brent Knopf. Wenn sich Knopf allerdings zurücknimmt, dann klingen die eher ruhigeren Stücke wie „It’s A Game“ oder „Careless“ stark nach The National. Was ich als Fan natürlich begrüße.

Aber das sind nicht die Stärken dieses Albums. Wenn das gemeinsame Songwriting vergessen lässt, wo die beiden Musiker ihre Brötchen verdienen, dann entsteht die Magie. Wie zum Beispiel in „No Time To Crank The Sun“. Der Song lebt durch die geschickt und interessant gesetzten Backing-Vocals, welche die Gesangslinie in eine völlig neue Richtung lenken, weit weg von The National.

Es ist oft so, dass ein Nebenprojekt eines Frontmanns klar ausleuchtet, welchen Anteil die übrigen Mitglieder der Band an den geliebten Songs haben. „Tomorrow’s Modern Boxes“ von Thom Yorke ist zwar interessant und bietet tolle Ansätze, zeigt mir aber, dass Radiohead für mich als geschlossene Einheit besser funktionieren.

Bei EL VY ist es zum Glück anders. Hier verschmelzen beide Musiker ihre Kreativität und erzeugen gemeinsam ein Album, welches wie das Debüt einer eigenständigen Band klingt. Ein vielversprechender Anfang.

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