Es ist Anfang Dezember, und spannende neue Platten sind nicht in Sicht. Es wird also Zeit für den Jahresrückblick. In diesem Jahr beginne ich mit den Alben des Jahres. Ich habe lange überlegt und abgewogen und mich am Ende selbst überrascht.
Denn oft hat es eine Platte trotz meiner Schwärmerei in den höchsten Tönen und einer hohen Wertung nicht in diese Liste geschafft. Das liegt einfach daran, dass ich mich auf die Alben konzentriert habe, die mir 2014 wirklich etwas bedeutet haben. Die mich unterhalten haben, mich zum nachdenken, träumen oder mitsingen animiert haben.
Und da kann es schon einmal vorkommen, dass eine verdammt gute Platte durch das Raster fällt. Hier sind also meine ganz persönlichen Alben des Jahres.
The Raveonettes – Pe’ahi
Sune Rose Wagner und Sharin Foo haben es auf “Pe’ahi” geschafft, sämtliches Füllmaterial zu entfernen. Sei es das von Old-Shool-Beats vorangetriebene “Killer In The Streets”, das wunderbar auf einen Soundtrack passende “Wake Me Up” oder mein persönliches Highlight “The Rains Of May”, ein epischer Wehmutsbrocken von unvergleichlicher Noblesse: jeder Song begeistert auf seine ganz eigene Weise. Dieses Album ist ein Genuss, trotz des obligatorischen Herzschmerzes und der kullernden Tränen.
Have a Nice Life – The Unnatural World
Die Produktion ist sehr rauh und zugleich luftig, der oft an Dave Gaham erinnernde Gesang kommt von weit hinten, die Gitarren klingen nach geschminkten Männern auf Friedhöfen, die Melodien reiten auf dem Rücken von Feedbackschleifen. Unglaublicherweise passt das alles verdammt gut zusammen und erzeugt eine dichte und düstere Atmosphäre, die das gesamte Album über anhält. Es ist äußerst selten, dass ich über eine Band stolpere, die einen so eigenständigen und kaum kategorisierbaren Sound besitzt und es gleichzeitig schafft, mich zu fordern und zu begeistern. “The Unnatural World” ist ein explosives und düsteres Meisterwerk.
The Antlers – Familiars
Ich würde so gerne ähnlich berührende Worte finden; ähnlich berührend wie die Musik, die mich hier umarmt. Mir fehlen einfach die Worte für dieses Meisterwerk aus ineinander fließenden Kompositionen, herzerwärmenden und zugleich unfassbar traurigen Melodiebögen und wundervoll gewebten Instrumentalpassagen. Mit seinen 53 Minuten und dem absoluten Fokus auf langsame Stücke fordert Silbermann geduldiges und intensives Zuhören.
Fink – Hard believer
Viele Lieder erscheinen im ersten Moment ein wenig beliebig, machen bei mehrmaligem Hören aber süchtig. Einfache Motive werden immer wiederholt und aufeinander geschichtet, wie elektronische Musik, die auf der Gitarre gespielt wird. Mit diesen hypnotischen, fast schon stoischen Momenten zieht Greenall den Hörer in seinen Bann und seine emotionale Welt. Die Songs entfalten sich langsam, aber stetig. Mit jedem Durchgang wird es schwerer, dieses Album nicht bis zum Einschlafen durchlaufen zu lassen. Eine ziemlich beeindruckende Platte, die immer am Abgrund wandelt und deren Stärke in ihrer Fragilität liegt.
Warm Graves – Ships Will Come
“Ships Will Come” ist ein mitreißendes Album, voller großer Momente und natürlich ineinander fließender Stimmungen, in welche man eintaucht und erst Stunden später wieder an die Oberfläche driftet. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass die stetig aufgebaute und teilweise unerträgliche Spannung einmal kontrolliert explodiert oder das einfach ein paar überraschende Schlenker den gradlinigen Flug unterbrechen, aber das ist wirklich nur kleinliche Kritik an einem ganz und gar außergewöhnlichen Debüt.
Mono – The Last Dawn & Rays Of Darkness
„The Last Dawn“ ist das hellere Album, welches aber schon im Titel das herannahende Unheil ankündigt. Die Nacht vor der letzten Dämmerung ist eine magische. Die epischen Songs entwickeln ihre majestätischen Melodiebögen mit Geduld und Präzision, aber auch mit viel Gefühl. Auf „Rays Of Darkness“ klingen die Drums wuchtiger, die Gitarrenmelodien düsterer. Die Atmosphäre ist kühler, trauriger und auswegloser. Wenn „Rays Of Darkness“ mit dem Song „The Last Rays“ am Ende im verzerrten Rauschen verschwindet, bleibe ich verstört und überwältigt, aber voller Bewunderung für diese Band und ihre Kompositionen zurück.
The Twilight Sad – Nobody Wants To Be Here And Nobody Wants To Leave
Ich brauchte Zeit und viele Durchläufe, um zum Kern dieser kraftvollen Kompositionen vorzudringen. Aber am Ende habe ich es geschafft. Ich habe die Melodien entdeckt, die sich anfänglich vor mir zu verstecken suchten, bin dem Pathos erlegen und habe mich von der Wucht einiger Songs wegreißen lassen. “Nobody Wants To Be Here And Nobody Wants To Leave” ist das bisher beste Album von The Twilight Sad und eines der der besten des Jahres.
Death From Above 1979 – The Physical World
Auf „The Physical World“ liefern die beiden genau das ab, was man von ihnen erwarten durfte. Mit offenem Mund lausche ich den wahnwitzigen Basslines, den grollenden Drums und den zwingenden Hooklines. Auch das zweite Album von Death From Above 1979 ist voller Hits: „Trainwreck 1979“, „Cheap Talk“, „Always On“, „Chrystal Ball“ und „Nothin‘ Left“ sind meine Favoriten. Death From Above 1979 sind auch 2014 extrem unterhaltsam und versprühen eine ansteckende Energie.
Spoon – They Want My Soul
Irgendwann im Laufe seiner Zeit mit dieser Band muss sich Britt Daniel das Zitat “Good Artists Copy, Great Artists Steal” auf die Fahnen geschrieben haben, denn seine Musik ist so voller Referenzen, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen soll. Wichtig ist, dass Spoon aus ihren Einflüssen einen völlig eigenen Sound geschaffen haben. Diesen kultivieren sie seit ein paar Alben und spielen ihn inzwischen mit traumwandlerischer Sicherheit. Natürlich wäre ein ausgereifter Sound nichts wert ohne die entsprechenden Songs. Und auch diese liefern Spoon auf ihrem jüngsten Werk in überragender Qualität.
End – People Of The Streams Mouth
Ich habe lange überlegt, warum mich dieses Album so dermaßen mitnimmt, habe aber lange für die Lösung gebraucht. Irgendwann fiel mir dann auf, das der Ansatz von END demjenigen von Jesus Jones in den Neunzigern ähnelt. Mitreißende Songs auf Basis von Alternative Rock gepaart mit elektronischen Versatzstücken und dem Mut zum Pop. Als Sahnehäubchen obendrauf gibt es noch diese kraftvolle Stimme von Luca Daniel.
Die Playliste zu den Alben des Jahres
Solltest du die eine oder andere Platte nicht kennen, habe ich für dich eine kleine Playliste mit jeweils einem Song zusammengestellt.
Kommentare
10 Antworten zu „2014: Die 10 besten Alben des Jahres“
Würde noch Bear´s Den – Islands bei mir dazu zählen 😉
9/10 bei plattentests.de
LG
Thomas
Bear’s Den wären bei mir auch sehr weit vorne – wenn sie nicht die entscheidenden Teile schon lange als EPs auf dem Markt gehabt hätten. Somit empfinde ich deren „Album“ nur als Mischung aus dem besten ihrer EPs und ein paar belanglosen beigesteuerten Songs, die sich anhören, als hätte man nur mal eben ein Album vollmachen müssen. Ein bisschen habe ich das Gefühl, die Jungs wurden von ihrer Plattenfirma gedrängt, endlich einen Longplayer vorzulegen. Daher eine klare Abwertung. Schade, schade.
Aus Deiner Liste sind bei mir dabei: Mono und Fink.
Sonst gehoeren in meine Top 10:
Low Roar – O (das war ein Tipp von Dir)
Nick Mulvey – First Mind
Lunatic Soul – Walking On A Flashlight Beam (darueber habe ich dann ueberhaupt erst Mariusz Duda und Riverside entdeckt)
Elbow – The Take Off And Landing Of Everything
Damien Rice – My Favourite Faded Fantasy
Von dem neuen Album von Alt-J hingegen war ich etwas enttaeuscht.
In Twilight Sad werde ich mal reinhoeren, ist mir irgendwie entgangen.
Ja, Low Roar, Damien Rice und Elbow sind natürlich auch klasse. Deine anderen Alben kenne ich nicht.
Und The Twilight Sad solltest du dir wirklich unbedingt anhören.
Hallo Nico,
bin erst seit diesem Jahr auf dein Blog gestoßen bzw. verfolge es via RSS und es ist jetzt schon ein tägliches Must-Read :-).
In die Diskussion um Listen misch ich mich einfach auch mal mit ein paar meiner Favoriten ein:
Cymbals Eat Guitars – Lose
Lantlos – Melting Sun
und die Österreicher Wanda – Amore
Hi Patrick,
vielen lieben Dank, das freut mich sehr!
Für die Cymbals habe ich nie die rechte Zeit gefunden, was mich sehr ärgert, denn ich vermute ein tolles Album. Und von Wanda habe ich auch schon gehört; sollen ziemlich gut sein.
Mal sehen, vielleicht finde ich über die Weihnachtsferien Zeit.
Hey Nico,
eine spannende Top 10! Als ich mir meine Spotify-Zusammenfassung angeschaut habe, habe ich auch nicht schlecht gestaunt, welche Alben ich häufig angehört habe. Bei Death From Above 1979 hast Du natürlich meine volle Zustimmung!
Tatsächlich ist in meiner Top 10 Banks defintiv vertreten. Der Musikstil ist nicht unbedingt mein Metier, aber für meine Ohren ist »Goddess« ein sehr rundes Album, welches sich toll anhört.
Außerdem darf in meiner Top 10 Talking To Turtles ebenfalls nicht fehlen, ich hatte das Glück die beiden dieses Jahr live zu erleben und seitdem höre ich das »Split« noch öfter.
Weitere Favoriten: Arkells, Marteria, Rise Against, Alt-J, Tua, Spaceman Spiff.
Jetzt werde ich mir erstmal Deine Top 10 geben, vielleicht werfe ich danach wieder alles über den Haufen. 😉
Hi Thorben,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, man überrascht sich oft selber. Und Talking To Turtles fand ich auch ziemlich super, allerdings habe ich das Album aus Zeitmangel nicht oft genug gehört….
Hey Nico, danke für diese Liste, die viele für mich unbekannte Bands enthält. Hab ich wieder was zum Entdecken! 🙂
Und tatsächlich überraschend, dass zum Beispiel Alt-J fehlt, von denen ich dachte, dass Sie bei Dir mindestens auf Platz 5 landen würden. Oder The Notwist. Aber Deine Erklärung kann ich nachvollziehen.
Ich bin gespannt auf weitere Listen! 🙂
Hi Jan, das freut mich! Ja, ich habe mich tatsächlich selbst überrascht. Mit Alt-J oder The Notwist hätte ich auch fest gerechnet. Aber ich habe dann einfach gemerkt, dass mir andere Alben mehr bedeutet haben.